Ein verborgenes Leben Ein jäh zerrissenes Naturparadies

✮✮✮✮ „Ein verborgenes Leben“ von Terence Malick: Verbeugung vor einem großen Helden.

 „Wir wohnten über den Wolken“: Valerie Pachner und August Diehl als Fani und Franz Jägerstätter.

„Wir wohnten über den Wolken“: Valerie Pachner und August Diehl als Fani und Franz Jägerstätter.

Foto: Reiner Bajo/Fox/Reiner Bajo

Kult-Regisseur Terrence Malick, der so gefeierte Werke schuf wie „Der schmale Grat“ und „The Tree of Life“, verneigt sich in seinem neuen Film vor einem bisher kaum besungenen Helden: August Diehl schlüpft in die Haut des österreichischen Bauern Franz Jägerstätter. Eine Filmfigur mit realem Vorbild: Jägerstätter weigerte sich, im Zweiten Weltkrieg für die Nationalsozialisten in den Kampf zu ziehen und wurde schließlich hingerichtet. Später sprach ihn die katholische Kirche selig.

Nach vielen internationalen Stars, die bereits mit Kinomagier Malick gearbeitet haben, ist es diesmal Diehl, der als Hauptdarsteller den Film entscheidend mitprägt. An seiner Seite: deutschsprachige Künstler wie Valerie Pachner, Tobias Moretti, Maria Simon, Ulrich Matthes sowie der 2019 gestorbene Bruno Ganz in einer seiner letzten Rollen.

„Wir wohnten über den Wolken“: Mit Sätzen wie diesen und großartigen Tableaus entführt uns Malick in eine Welt voller Leichtigkeit und Liebe. Nimmt uns mit nach St. Radegund in Oberösterreich, wo Jägerstätter mit seiner Familie, Frau und Kindern lebt. Noch ist alles gut. „Wir dachten“, so eine Stimme aus dem Off, „dass kein Unglück je unser Tal erreichen würde“. Gleich zu Beginn aber schneidet Malick eine vielleicht dreiminütige Sequenz zwischen, in der man in Originalaufnahmen auch Hitler sieht. Die Dinge nehmen ihren Lauf, auch Jägerstätter soll irgendwann an die Front, einen Eid leisten auf den Führer. Doch er weigert sich. Spendet nicht, nimmt keine Fördergelder vom Staat an, grüßt auf der Straße statt mit „Heil-“ mit „Pfui Hitler!“. Dorfbewohner werfen ihm und seiner Familie vor, sein Verhalten sei eine Sünde. Selbst der für den Ort zuständige Geistliche (Moretti) ermahnt ihn: „Dein Opfer würde niemandem nützen!“

Vor allem die ersten, rund 30 Minuten sind randvoll mit wunderbaren, fast spirituell anmutenden Szenen unter freiem Himmel: Jägerstätter und seine Frau, wie sie liebestrunken ihrer bäuerlichen Arbeit nachgehen, betörender Sonnenschein und grünsaftige Graslandschaften vor so Ehrfurcht einflößenden wie majestätischen Bergmassiven. Ein Naturparadies, das durch den Beginn des Krieges jäh zerrissen wird. Wer sich auf Malicks Impressionen einlassen kann, wird belohnt: mit intensiven Bildern und kongenialen Sätzen, dazu angetan, einem die Seele zu öffnen – und einen Schlag in die Magengrube zu verpassen.

Man kann den Film kaum anschauen, ohne ihn als Appell für Zivilcourage, Mut, den Glauben an die Liebe zu verstehen, als Verbeugung vor einem großen Helden, der sich auch im Angesicht des Todes weigert, einen Eid zu leisten auf ein verbrecherisches Regime.

Deutschland/USA 2019, 174 Min., Camera Zwo (Sb); Regie und Buch: Terence Malick; Kamera: Jörg Widmer; Musik: James Newton Howard; Besetzung: August Diehl, Valerie Pachner, Maria Simon. Tobias Moretti, Bruno Ganz.

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