Kino-Kritik Mit Herz und Seele bei der Sache

✮✮✮ „Das Familienfoto“ von Cécilia Rouaud punktet mit einer starken Besetzung.

 Die Geschwister Elsa (Camille Cottin) und Gabrielle (Vanessa Paradis).

Die Geschwister Elsa (Camille Cottin) und Gabrielle (Vanessa Paradis).

Foto: Alamode Film/Alamode film

Zu oft erlebte man in den letzten fünf Jahren Filme aus Frankreich, die sich um recht verschieden geartete Familienmitglieder drehten, die sich zusammenraufen müssen, um eine mehr oder minder dramatische Krisenlage zu meistern. Das ist auch beim Regiedebüt der Schauspielerin Cecilia Rouaud hier der Fall, wenn nach dem Tod des Großvaters drei erwachsene Geschwister dem bislang so wohl gehüteten Status Quo der wahlweisen Problembewältigung bzw. deren Verdrängung im Leben entsagen müssen. Denn jetzt müssen sie sich erstmalig um sich kümmern, aber auch lernen untereinander klar zu kommen, und das alles mit dem Ziel, auch die Eltern ins Boot zu holen, um schließlich und endlich gemeinsam mit der Großmutter einen Küstenort aufzusuchen, um dort ein Familienfoto aufzunehmen.

Wenn das nun komplizierter klingt, als es ist, dann ist das deshalb so, weil „Das Familienfoto“ einer jener Filme ist, deren Inhaltsangabe sich als ausgesprochen komplex erweist, sobald die Verkürzung auf reine Faktennennung auch nur mindeste Erweiterung erfährt. In der konkreten Ausgestaltung ist das alles in der souveränen Gefälligkeit erdacht und in Szene gesetzt, mit der in Frankreich ebenso viele Filme fürs Kino konzipiert werden wie das in Deutschland mit TV-Movies für den Mittwochabend der Fall ist. Man wird solide unterhalten, ohne sich in den dramatischen Amplituden allzu großem Druck ausgesetzt fühlen zu müssen. Die Konflikte sind nachvollziehbar angelegt, treiben aber keinen Schweiß auf die Stirn.

Es gibt aber auch jenes Element offenkundiger Qualität, das französische Filme quasi genetisch bedingt aus dem Ärmel schütteln – eben prominent und profund zu besetzen und mit diesem Pfund in geradezu erbarmungsloser Konsequenz zu punkten. Hier ist der Coup, dass sich die immer noch sanft lolita-esk wirkende Vanessa Paradis und die energisch burschikose Camille Cottin als ungleiche Schwestern auf Augenhöhe duellieren, während Jean-Pierre Bacri in seiner neuen Lieblingsrolle als Familiensouverän ironische Bonmots von leichenblassen Lippen perlen lässt. Es sind die Schauspieler, die den Film aus der Lethargie der Selbstgewissheit reißen, weil sie mit Herz und Seele bei der Sache sind und diese damit sehenswert machen.

Frankreich 2018, 99 Min., Camera Zwo (Sb); Regie und Buch: Cécilia Rouaud; Kamera: Alexis Kavyrchine; Musik: Lier, Ohrel, Weil; Besetzung: Vanessa Paradis, Camille Cottin, Pierre Deladonchamps, Jean-Pierre Bacri.

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