Kino-Tipp Wenn alles zu geben nicht mehr genug ist

✮✮✮✮✮ „Birds of Passage“ von Cristina Gallego und Ciro Guerra: Indigenes Gangster-Epos.

 Stolz, schön und mächtig, die Frauen haben hier das Sagen: Natalia Reyes als Zaida.

Stolz, schön und mächtig, die Frauen haben hier das Sagen: Natalia Reyes als Zaida.

Foto: MFA

Seit Jahrhunderten haben in der Küstenregion Kolumbiens von Frauen geführte Familienclans vom Stamme der Wayuu die Macht inne. Als Jungbauer Rapayet um Zaida, die Prinzessin des örtlichen Stammes wirbt, setzt ihre Mutter, die Stammesführerin Ùrsula, einen Preis aus, von dem sie überzeugt ist, dass Rapayet ihn niemals wird zahlen können. Rapayet allerdings ist nicht auf den Kopf gefallen.

Als er Soldaten des UN-Korps beim Kiffen beobachtet, zieht er seine Schlüsse daraus und nimmt Kontakt mit dem Cannabis-Pflanzer Anibal in den Bergen auf. Zusammen mit seinem Freund Moises, der aus der sozialen Unterschied ehemals schwarzer Sklaven stammt, gelingt es Rapayet, einen schwunghaften Handel aufzuziehen. Am neuen Reichtum verdienen alle gut, aber immer mehr nehmen das als selbstverständlich hin. Neid, Missgunst und Gewalt greifen um sich.

Der Drogenfilm, wie man ihn bislang kannte, ist ganz wesentlich ein Film der Großstädte und des Reisens. Aber das ändert sich mit diesem Werk, einem indigenen Gangster-Epos. Mit der Wucht einer griechischen Tragödie erzählt das Regiegespann die Geschichte vom Aufstieg und Fall eines Verbrechers, dem es nichts nützt, dass er nach moralischen Prinzipien handelt, weil alle um ihn herum das nicht so machen.

Luxus kann Menschen korrumpieren und zum Zerrspiegelbild seiner selbst machen. Darum geht es ebenso wie um den Verlust von Traditionen und Werten angesichts einer radikal um sich greifenden Moderne. Der Erzählstil ist so ruhig und nüchtern wie die Bilder von archaischer Wucht gezeichnet sind. Elemente des Magischen Realismus prägen das Geschehen ebenso wie der ungeschönte Realismus des Cinema Novo der frühen 60er Jahre.

Bilder von ausgesuchter Grausamkeit gibt es kaum einmal, es reichen die Gewehrläufe, die beim kleinsten Anlass auch gegen jene in Anschlag gebracht werden, die doch eigentlich zu befehlen gewohnt sind. Wenn die Vernunft aussetzt, kann niemand mehr seines Lebens sicher sein. Alles zu geben, ist dann nicht mehr genug. B. Traven hat darüber faszinierende Romane geschrieben. Er hätte diesen Film sehr zu schätzen gewusst.

Kolumbien/Dän/Mexiko 2018, 121 Min., Filmhaus (Sb); Regie : Cristina Gallego, Ciro Guerra; Buch: Maria Camila Arias, Jacques Toulemonde; Kamera: David Gallego; Musik: Leonardo Heiblum: Besetzung: Carmina Martinez, José Acostza, Natalia Reyes, Jhon Narváez.

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