Snowdonia in Wales Kreischbuntes Leben in alten Gruben

Bethesda · In den 1960er Jahren wurden viele walisische Schiefersteinbrüche stillgelegt. Seit einiger Zeit entstehen dort Abenteuerspielplätze.

 HANDOUT - 02.06.2011, Großbritannien, ---: Zum Themendienst-Bericht von Florian Sanktjohanser vom 27. August 2019: Mitten im Nirgendwo des Snowdonia Nationalparks. Von weitem kann man den türkisblauen See sehen. Foto: Crown Copyright 2019 Visit Wales/dpa-tmn - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit dem genannten Text und nur bei vollständiger Nennung des vorstehenden Credits - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++

HANDOUT - 02.06.2011, Großbritannien, ---: Zum Themendienst-Bericht von Florian Sanktjohanser vom 27. August 2019: Mitten im Nirgendwo des Snowdonia Nationalparks. Von weitem kann man den türkisblauen See sehen. Foto: Crown Copyright 2019 Visit Wales/dpa-tmn - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit dem genannten Text und nur bei vollständiger Nennung des vorstehenden Credits - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++

Foto: dpa-tmn/Crown Copyright 2019 Visit Wales

Gerade noch sahen wir aus wie Kampfpiloten, im roten Overall und weißen Helm, um die Brust ein Zwitter aus Klettergurt und Metzgerschürze. Doch nun ist jeder Stolz passé. Bäuchlings liegen wir auf Pritschen, bestens gelaunte Waliser zurren uns wie Vieh in Gurten fest und klicken uns mit Karabinern in Stahlschlitten. „Drei, zwei, eins - und los!“, schreit jemand, und Kopf voraus schießen wir am Stahlseil über türkises Wasser.

Könnte eine Lagune in der Südsee sein, denke ich im kurzen Flug, oder ein Gletschersee in Patagonien - wären da nicht die grauen Stufen, die ringsum ansteigen. Sie sind die Reste des größten Schiefertagebaus der Welt. Wobei Reste nicht ganz korrekt ist, schließlich ist der Penrhyn-Steinbruch noch aktiv - als einer der letzten in Wales.

Schiefer war im 19. Jahrhundert der Exportschlager des kleinen Landes. Die Steinplatten wurden als Dachziegel, Schreibtafeln, Grabsteine und sogar als Billardtische in alle Welt verkauft. Bis zuerst der spanische und dann der chinesische Schiefer billiger waren und die Minen in den 1960er Jahren schlossen. Doch nun regt sich neues Leben in den grauen Wunden, die der Tagebau in die grünen Hügel gerissen hat. Mit viel Geld bauen Unternehmer die Industriebrachen zu einem großen Abenteuer-Spielplatz um. Und die Neugierigen strömen trotz saftiger Preise herbei.

„Die schnellste Zipline der Welt“ versprechen Monitore im Besucherzentrum. Im 20-Minuten-Rhythmus werden Gruppen gewogen, eingekleidet und in Lastern zur Startrampe der Velocity 2 gekarrt. Nach dem Flug können sie in einem Restaurant mit Blick auf den Grubensee speisen und Bier, Shirts oder Tassen mit dem ferrariroten Logo der Zip World kaufen.

„Zip World ist ein Touristenmagnet in Nordwales“, sagt Joanna Perrin, die Pressesprecherin der Firma. Und ein massiver wirtschaftlicher Faktor in dieser strukturschwachen Gegend. Geschaffen hat ihn Sean Taylor, ein Armee-Veteran aus der Gegend. Vor zwölf Jahren steckte er sein Geld in einen Hochseilgarten, ein paar Jahre später startete er mit zwei Freunden das Unternehmen.

In den unterirdischen Minen bei Blaenau Ffestiniog hat Zip World einen noch Spaßpark gebaut. Durch einen niedrigen Stollen gehen wir in den Berg, bis sich eine Höhle öffnet, in die scheinbar eine Monsterspinne ihre Netze gespannt hat. Angestrahlt von wechselnd bunten Scheinwerfern, angefeuert von Partymusik, hüpfen Kinder und Eltern durch die Trampoline, die in mehreren Ebenen übereinander und nebeneinander gespannt sind. Dazwischen kriechen sie durch Netzgänge oder gleiten Rutschen hinab.

Bald liegen die ersten Kinder mit ausgestreckten Armen in den muffig riechenden Netzen. Zeit für ein Mittagessen, natürlich serviert auf Schieferplatten, bevor es zurück in die Höhle geht, zum unterirdischen Klettersteig. Die Einweisung ist lang und gründlich, denn diesmal müssen wir allein durch den Parcours. Ein junger Mann erklärt, wie man das Klettergeschirr anlegt, den Gurt mit dem Sicherungsbügel durchs Stahlseil führt und den Minischlitten korrekt auf die Zipline setzt.

Im Halbdunkel tapsen wir auf Stahlbügeln und Trittstangen die Schieferwand entlang. Auf der Plattform hängen wir den Schlitten ins Stahlseil, lassen uns in den Gurt sacken und rutschen los, quer über den Abgrund zur nächsten Plattform. Der erste Aufprall ist noch hart, aber die Wand ist gepolstert, und bald haben wir die Landung raus. Von Höhle zu Höhle geht es weiter, durch Stollen kriechend, über Hängebrücke und Stahlseil balancierend, sich unter einer Affenleiter hindurch hangelnd. Verglichen mit Klettersteigen in den Alpen ist das außergewöhnlich.

Die Konkurrenz ist umtriebig. Adventure Parc Snowdonia nennt sich der große Herausforderer seit Jahresbeginn. Sein Spaßpark, zuvor bekannt als Surf Snowdonia, steht in Dolgarrog an der Nordostgrenze des Nationalparks. Die englische Industriellenfamilie Ainscough hat hier vor Jahren eine alte Aluminiumfabrik gekauft, abgerissen und an ihrer Stelle 2015 eine Surflagune mit laufender Welle eröffnet: ein lang gezogenes Becken, in dessen Mitte ein schmaler Steg auf dünnen Stahlträgern verläuft.

„Das ist wie ein Skilift, der einen großen Schneepflug durchs Wasser zieht“, sagt Tom Kenyon. Der 31-Jährige ritt schon als Junge die Wellen vor den Hebriden. Seit vier Jahren arbeitet er als Surflehrer im Adventure Parc Snowdonia. Natürlich lerne man hier nicht, unter Wellen hindurch zu tauchen oder sie draußen auf dem Meer zu lesen, sagt Kenyon. „Es ist einfach nur ein schöner, spaßiger Point Break.“

Mit ein paar Schlägen paddeln wir hinaus zu dem Plastikriff, wo die Welle alle 90 Sekunden in vollkommener Gleichmäßigkeit bricht. Anders als auf Korallen kann man hier bequem stehen, Farbstreifen zeigen an, wo man zu warten hat. Als der Pflug durch den Mittelkanal schiebt, springen zuerst die Profis auf die heranrollende Welle, dann sind wir dran. Die Gischt schießt über die Schultern, die Welle erfasst das Brett. Hochdrücken, aufspringen, Balance halten. Und, wie Kenyon es uns eingeschärft hat: rechtzeitig vor dem Beckenrand rückwärts abspringen!

Damit die Gäste auch im Winter kommen und am besten mehrere Tage bleiben, gibt es eine neue Halle. Geschützt vor dem walisischen Regen kann man dort durch einen Klettersteig unter dem Dach klettern, in Fiberglashöhlen robben, über einen Ninja-Parcours springen und draußen an Stahlseilen über die Lagune fliegen.

 HANDOUT - Zum Themendienst-Bericht von Florian Sanktjohanser vom 27. August 2019: Für die Profiwelle im Adventure Parc Snowdonia reisen einige Surfbegeistere jedes Wochenende an. Foto: Jonty Storey/Adventure Parc Snowdonia/dpa-tmn - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit dem genannten Text und nur bei vollständiger Nennung des vorstehenden Credits - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++

HANDOUT - Zum Themendienst-Bericht von Florian Sanktjohanser vom 27. August 2019: Für die Profiwelle im Adventure Parc Snowdonia reisen einige Surfbegeistere jedes Wochenende an. Foto: Jonty Storey/Adventure Parc Snowdonia/dpa-tmn - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit dem genannten Text und nur bei vollständiger Nennung des vorstehenden Credits - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++

Foto: dpa-tmn/Jonty Storey
 Bäuchlings geht es mit dem Kopf voraus über das türkisfarbene Wasser im walisischen Nationalpark Snowdonia hinweg. 

Bäuchlings geht es mit dem Kopf voraus über das türkisfarbene Wasser im walisischen Nationalpark Snowdonia hinweg. 

Foto: dpa-tmn/Dan Struthers Photography
 National Park Snowdonia in Wales

National Park Snowdonia in Wales

Foto: SZ/Müller, Astrid

Ganz so autobahnschnell wie im Penrhyn-Steinbruch jagt man allerdings nicht dahin, und das Wasser ist eher braun als türkis. Dafür könnte man durch den Schleier des Nieselregens fast denken, dass auf dem Hügel hinter der Lagune tropischer Regenwald wächst, wenn man die Augen nur etwas zukneift.

(dpa)
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