Wo die Langsamkeit zuhause ist

Namur · Eine mächtige Zitadelle, viele Gärten und Museen, historische Gassen, ein Wachturm, der zum Weltkulturerbe zählt und der Zusammenfluss von Maas und Sambre – das belgische Namur bietet Besuchern viel Abwechslung.

 Die Figuren Djoseph et Francwès gelten in Namur als die Helden des Müßiggangs. Foto: Martin Rolshausen

Die Figuren Djoseph et Francwès gelten in Namur als die Helden des Müßiggangs. Foto: Martin Rolshausen

Foto: Martin Rolshausen

Die beiden Gestalten vor der Börse von Namur wirken nicht wie Menschen, denen man am zentralen Platz einer Stadt unbedingt ein Denkmal setzen muss. Sie erinnern eher an die amerikanischen Komiker Dick und Doof und deren dänische Version Pat und Patachon, als an das, was man andernorts als "große Söhne der Stadt" oder "Helden des Vaterlands" verewigt. Die beiden Kerle, die die wallonische Hauptstadt Namur hat in Bronze gießen lassen, heißen Djoseph et Francwès. Und sie verkörpern nichts Geringeres als ein Lebensgefühl: die Kunst des Müßiggangs.

Das Denkmal zeigt Djoseph et Francwès mit zwei Schnecken - eine an einem Strick angebunden, eine in einem Käfig, damit sie nicht während eines gemütlichen Plausches unbemerkt flüchten können. Djoseph et Francwès, heißt es im Tourismusbüro ein paar Meter weiter, "wachen über die Lebensweise vergangener Zeiten, in denen man sich damit begnügte, spazieren zu gehen, über Regen und Sonnenschein zu sprechen und die Boote auf der Maas zu betrachten".

Ganz so gemütlich war es in Namur allerdings zu keiner Zeit. Seit dem 10. Jahrhundert ist der ursprünglich von den Kelten besiedelte Ort auch militärisch befestigt. Die Zitadelle, die auf dem Felsen thront, an dessen Fuß Sambre und Maas fließen, ist Wahrzeichen der Stadt. Sie wurde zerstört und nach Plänen von Vauban, dem Festungsbaumeister des französischen Königs Ludwig XIV ., neu errichtet.

Namur wurde in seiner wechselhaften Geschichte erobert, zurückerobert, wieder erobert. Lea Zuckermann, eine Historikerin, die seit 25 Jahren Touristen durch Namur führt, spricht nicht von Krieg, Gewalt und Tod. Man habe in Namur eben immer wieder mal "Besuch von Freunden bekommen", und manchmal habe man diese Freunde "mit Kanonen dazu überredet, wieder zu gehen", sagt sie.

"Die Namurer sollen langsam sein…", heißt es zwar in einem wallonischen Volkslied. Die Namurer selbst, sagt Lea Zuckermann, würden sich aber wohl nicht so sehen. "Sie nehmen sich einfach die Zeit, das Leben zu genießen." Dazu lädt die Stadt auch ihre Gäste ein. Zum Bummeln durch die historischen Gassen. Zur Schiffsfahrt auf der Maas. Zur Pause im Haus der Desserts, in dem die ganze Bandbreite wallonischer Konditorenkunst gezeigt wird.

Und zum Verweilen in den Gärten. Einen mittelalterlichen Garten innerhalb der Zitadellenmauern gibt es hier, einen Garten der Düfte, einen Kleinobstgarten, einen Garten der Farbenpracht und einen klassischen botanischen Garten .

Auch die neun Museen fordern nicht zu Hektik heraus. Wer einen Blick in die belgische Kolonialzeit im Kongo werfen will, die Schätze des Bischofs betrachten, sich mit Archäologie, Erdbeeren oder belgischen Elitetruppen beschäftigen will, sollte Zeit mitbringen.

Was das "Musée Felicien Rops" angeht, seien die Namurer wirklich nicht die schnellsten gewesen, sagt Lea Zuckermann. Der 1833 in Namur geborene Maler sei den Menschen in seiner Heimatstadt lange nicht ganz geheuer gewesen. Das mag daran gelegen haben, vermutet Lea Zuckermann, dass der Mann, der als Grafiker und Illustrator in Brüssel und Paris Karriere gemacht hat, in seinen Werken die staatliche Obrigkeit und Kirchenleute verspottet hat - unter anderem, indem er sie nackt, teilweise auch pornografisch dargestellt hat.

Die Schnecken haben es dagegen recht früh in der Stadtgeschichte zu etwas gebracht. Nämlich als Namurer Spezialität auf den Speisekarten zahlreicher Restaurants.

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Auf einen BlickNamur ist Bischofs- und Universitätsstadt sowie die Hauptstadt der Wallonie, dem französischsprachigen Teil Belgiens. Vom 18. bis 22. September wird hier das Wallonien-Fest gefeiert, eines der größten Volksfeste in Belgien . Vom 3. bis 10. Oktober präsentiert die Stadt ein Festival des französischsprachigen Films, vom 10. bis 19. Oktober ein Naturfilmfestival. Weitere Infos: Tourismusbüro Namur , Tel.: (00 32) 81 24 64 44. olsnamur.be

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