Wenn die Sonne Tag und Nacht scheint

Man hat viel darüber gelesen, Fotos gesehen, Bekannte haben davon erzählt. Doch so richtig vorstellen kann man es sich dann doch nicht. Aber jetzt ist es soweit. Heute werden wir es erleben, werden wir sie sehen - die Mitternachtssonne. Wir sind in Nordnorwegen, ein gutes Stück über dem Polarkreis, genauer gesagt in Sommerøy, unweit von Tromsø. Wir, das ist eine Reisegruppe mit Journalisten aus Deutschland, unterwegs um die Küstenkultur zwischen den Städten Bodø und Tromsø kennenzulernen. Nach dem Abendessen (gegrillter Stockfisch) im Nordic-Hotel in Sommerøy, gegen 22.30 Uhr, brechen wir auf Richtung Meer. Eine Anhöhe mit schönem Blick auf das Nordmeer und einige vorgelagerte Inselchen ist unser Ziel. Um 23 Uhr haben wir unseren Aussichtshügel erreicht. Es ist fast taghell. Die Sonne steht tief am Horizont, wirft ein sanftes, rötliches Licht auf Meer, Küste und die schneebedeckten Berge. Um 23.30 Uhr öffnen wir zur Feier des Tages eine Flasche Artic-Bier, 0,33 Liter für rund acht Euro - ja, Norwegen ist ein teures Pflaster. Kurz vor Mitternacht klicken dann die Fotoapparate. Die tiefstehende Sonne, der unten feuerrote, oben hellblaue Himmel, das dunkelblaue Meer - ein traumhafter Anblick. 0.15 Uhr. 0.30 Uhr. Erst allmählich bemerkt man es: Die Sonne steigt ganz allmählich wieder höher. Faszinierend. Gegen ein Uhr schlendern wir zurück zum Hotel, gegen zwei Uhr fangen die ersten Vögel an zu zwitschern, im Zimmer nur ein dünner Vorhang - wie soll man da Schlaf finden? Ja, Nordnorwegen kann anstrengend sein. In den Sommermonaten wird es nicht dunkel, im Winter wird es kaum hell. Dafür kann man die einzigartigen Naturschauspiele Mitternachtssonne und Polarlichter genießen. Und die Gastfreundschaft der Menschen hier oben, nördlich des Polarkreises. Hier scheinen die Uhren anders zu ticken, hier spürt man eine große Gelassenheit und auch eine Demut vor der Natur, vor dem Lauf der Zeit. Wir sind von Oslo nach Bodø geflogen, Universitätsstadt und Handelszentrum in Nordland an der Westküste. "Nordland ist so groß wie die Schweiz, die hat aber gut zehnmal mehr Einwohner, 2,5 Millionen gegenüber 240 000 hier in Nordland", informiert uns Reiseführerin Leonie Johann und ergänzt: "Tolle Natur und wenig Menschen." Von Bodø aus kann man die Reise mit Inlandsflügen oder dem Auto fortsetzen. Letzteres erfordert Zeit und Geduld, denn die Straßen schlängeln sich in ungezählten Kurven um Berge und Fjorde und des öfteren ist das Asphaltband einfach zu Ende - es geht nur per Fähre weiter. Aber es lohnt sich. Etwa eine halbe Autostunde und zehn Fähr-Minuten von Bodø entfernt liegt die kleine Gemeinde Kjerringøy. Wir wohnen im Brygge Hotel direkt am Hafen, vom Zimmer aus bietet sich ein traumhafter Blick auf die bunten Boote, das Meer, die schneebedeckten Berge im Hintergrund und den abendlichen Sonnenhimmel. "Kjerringøy war früher die reichste Handelsstadt Norwegens", erzählt Leonie, "heute ist es die am besten bewahrte Handelsstadt des Landes." Mehrere Gebäude des alten Handelszentrums sind erhalten und mit Original-Mobilar eingerichtet, man kann auf eine Zeitreise gehen, die 1803 mit der Gründung des Zentrums für Fischerei beginnt. Hier wurden mehrere Romane von Knut Hamsun (1859-1952) verfilmt. Ein Denkmal erinnert an den bedeutenden norwegischen Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts, der 1920 mit seinem Werk "Segen der Erde" den Literaturnobelpreis gewann. Nach dem Abendessen (gebratener Heilbutt ) fahren wir mit Björn in einem alten Holzkahn mit Motor noch eine Runde an der Küste entlang - an Schlaf ist auch heute kaum zu denken. Zum Reich der Mitternachtssonne gehört auch Senja, die zweitgrößte Insel Norwegens. Hier kann man auf einer von landesweit 18 Landschaftsrouten Küste und Meer hautnah erleben. Und hier geht es nicht um schnelle Fortbewegung, sondern um bleibende Eindrücke. Die bieten sich auf der Landschaftsroute Senja (90 Kilometer von Grille-fjord bis Botnhamn) zuhauf. Zum Beispiel am Aussichtspunkt Bergsbotn, wo man von einer Rampe aus Stahl und Holz einen Panoramablick auf den malerischen Bergsfjord genießen kann. Oder am Rastplatz Tungeneset, wo ein Laufsteg aus sibirischer Lärche über die Klippen bis zum Meer führt, aus dem die mächtige Gebirgskette Okshornan ragt. Eine Ecke weiter laden kleine Fischerdörfer mit weißen Sandstränden zum Besuch ein. Wenn dann das glasklare Wasser türkisfarben in der Sonne funkelt, wähnt man sich in der Karibik - bis der Blick auf die schneebdeckten Berge am Horizont fällt.

 Ein Traum in blau: Kjerringøy wird gerne auch als Perle des Nordlandes bezeichnet. Wer wollte dem beim Blick über den Hafen und das Meer bis zu den Bergen widersprechen. Fotos: Reinhardt

Ein Traum in blau: Kjerringøy wird gerne auch als Perle des Nordlandes bezeichnet. Wer wollte dem beim Blick über den Hafen und das Meer bis zu den Bergen widersprechen. Fotos: Reinhardt

Man hat viel darüber gelesen, Fotos gesehen, Bekannte haben davon erzählt. Doch so richtig vorstellen kann man es sich dann doch nicht. Aber jetzt ist es soweit. Heute werden wir es erleben, werden wir sie sehen - die Mitternachtssonne. Wir sind in Nordnorwegen, ein gutes Stück über dem Polarkreis, genauer gesagt in Sommerøy, unweit von Tromsø. Wir, das ist eine Reisegruppe mit Journalisten aus Deutschland, unterwegs um die Küstenkultur zwischen den Städten Bodø und Tromsø kennenzulernen.

Nach dem Abendessen (gegrillter Stockfisch) im Nordic-Hotel in Sommerøy, gegen 22.30 Uhr, brechen wir auf Richtung Meer. Eine Anhöhe mit schönem Blick auf das Nordmeer und einige vorgelagerte Inselchen ist unser Ziel. Um 23 Uhr haben wir unseren Aussichtshügel erreicht. Es ist fast taghell. Die Sonne steht tief am Horizont, wirft ein sanftes, rötliches Licht auf Meer, Küste und die schneebedeckten Berge. Um 23.30 Uhr öffnen wir zur Feier des Tages eine Flasche Artic-Bier, 0,33 Liter für rund acht Euro - ja, Norwegen ist ein teures Pflaster. Kurz vor Mitternacht klicken dann die Fotoapparate. Die tiefstehende Sonne, der unten feuerrote, oben hellblaue Himmel, das dunkelblaue Meer - ein traumhafter Anblick.

0.15 Uhr. 0.30 Uhr. Erst allmählich bemerkt man es: Die Sonne steigt ganz allmählich wieder höher. Faszinierend. Gegen ein Uhr schlendern wir zurück zum Hotel, gegen zwei Uhr fangen die ersten Vögel an zu zwitschern, im Zimmer nur ein dünner Vorhang - wie soll man da Schlaf finden?

Ja, Nordnorwegen kann anstrengend sein. In den Sommermonaten wird es nicht dunkel, im Winter wird es kaum hell. Dafür kann man die einzigartigen Naturschauspiele Mitternachtssonne und Polarlichter genießen. Und die Gastfreundschaft der Menschen hier oben, nördlich des Polarkreises. Hier scheinen die Uhren anders zu ticken, hier spürt man eine große Gelassenheit und auch eine Demut vor der Natur, vor dem Lauf der Zeit.

Wir sind von Oslo nach Bodø geflogen, Universitätsstadt und Handelszentrum in Nordland an der Westküste. "Nordland ist so groß wie die Schweiz, die hat aber gut zehnmal mehr Einwohner, 2,5 Millionen gegenüber 240 000 hier in Nordland", informiert uns Reiseführerin Leonie Johann und ergänzt: "Tolle Natur und wenig Menschen." Von Bodø aus kann man die Reise mit Inlandsflügen oder dem Auto fortsetzen. Letzteres erfordert Zeit und Geduld, denn die Straßen schlängeln sich in ungezählten Kurven um Berge und Fjorde und des öfteren ist das Asphaltband einfach zu Ende - es geht nur per Fähre weiter.

Aber es lohnt sich. Etwa eine halbe Autostunde und zehn Fähr-Minuten von Bodø entfernt liegt die kleine Gemeinde Kjerringøy. Wir wohnen im Brygge Hotel direkt am Hafen, vom Zimmer aus bietet sich ein traumhafter Blick auf die bunten Boote, das Meer, die schneebedeckten Berge im Hintergrund und den abendlichen Sonnenhimmel. "Kjerringøy war früher die reichste Handelsstadt Norwegens", erzählt Leonie, "heute ist es die am besten bewahrte Handelsstadt des Landes." Mehrere Gebäude des alten Handelszentrums sind erhalten und mit Original-Mobilar eingerichtet, man kann auf eine Zeitreise gehen, die 1803 mit der Gründung des Zentrums für Fischerei beginnt. Hier wurden mehrere Romane von Knut Hamsun (1859-1952) verfilmt. Ein Denkmal erinnert an den bedeutenden norwegischen Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts, der 1920 mit seinem Werk "Segen der Erde" den Literaturnobelpreis gewann. Nach dem Abendessen (gebratener Heilbutt ) fahren wir mit Björn in einem alten Holzkahn mit Motor noch eine Runde an der Küste entlang - an Schlaf ist auch heute kaum zu denken.

Zum Reich der Mitternachtssonne gehört auch Senja, die zweitgrößte Insel Norwegens. Hier kann man auf einer von landesweit 18 Landschaftsrouten Küste und Meer hautnah erleben. Und hier geht es nicht um schnelle Fortbewegung, sondern um bleibende Eindrücke. Die bieten sich auf der Landschaftsroute Senja (90 Kilometer von Grille-fjord bis Botnhamn) zuhauf. Zum Beispiel am Aussichtspunkt Bergsbotn, wo man von einer Rampe aus Stahl und Holz einen Panoramablick auf den malerischen Bergsfjord genießen kann. Oder am Rastplatz Tungeneset, wo ein Laufsteg aus sibirischer Lärche über die Klippen bis zum Meer führt, aus dem die mächtige Gebirgskette Okshornan ragt.

Eine Ecke weiter laden kleine Fischerdörfer mit weißen Sandstränden zum Besuch ein. Wenn dann das glasklare Wasser türkisfarben in der Sonne funkelt, wähnt man sich in der Karibik - bis der Blick auf die schneebdeckten Berge am Horizont fällt.

 24 Uhr in Sommerøy, Nordnorwegen: Die Sonne ist auf dem tiefsten Stand, jetzt wandert der Himmelsstern langsam wieder nach oben.

24 Uhr in Sommerøy, Nordnorwegen: Die Sonne ist auf dem tiefsten Stand, jetzt wandert der Himmelsstern langsam wieder nach oben.

 Wenn die Nacht zum Tage wird: Die Mitternachtssonne hüllt die schneebedeckten Berge, das Meer und die Häuser in ein zartrotes Licht.

Wenn die Nacht zum Tage wird: Die Mitternachtssonne hüllt die schneebedeckten Berge, das Meer und die Häuser in ein zartrotes Licht.

Zum Thema:

AUF EINEN BLICKNach Nordnorwegen kann man per Flugzeug über Oslo , per Schiff mit den Hurtigrouten oder mit dem eigenen Wagen reisen. Infos gibt es bei: Innovation Norway, Tel. (0 40) 4 02 29 41 50; Internet: www.visitnorway.com . Ein Spezialist für individuelle Reisen ist Polarkreis-Reisen in Castrop-Rauxel, Tel. (0 23 05) 5 49 93 66; Internet: www. polarkreis-reisen.de tr

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