Wandern, wo einst Zwerge lebten

Hitzacker · Grün ist das Wendland. Waldig, moosig, mit wie aus der Zeit gefallenen Dörfern. In der märchenhaften Region zwischen Wäldern, Wiesen und Weinbergen sollen nach alten Erzählungen auch schon Zwerge gelebt haben. Heute finden Besucher in dem Kurort vor allem eins: Ruhe.

 Von der Elbhöhe geht es hinab in die Elbtalaue: Die niedersächsische Wanderregion lockt Naturfreunde an. Foto: Loges/dpa

Von der Elbhöhe geht es hinab in die Elbtalaue: Die niedersächsische Wanderregion lockt Naturfreunde an. Foto: Loges/dpa

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An der Einmündung der Jeetzel in die Elbe liegt der niedersächsische Kurort Hitzacker . Diplom-Biologe Andreas Lange kennt die Wanderregion wie kein anderer. Er begleitet Jugendgruppen auf dem Elbe-Lehrpfad.

Laub raschelt unter den Füßen der Wanderer, wie braune Pergamentschnipsel bedeckt es den Waldboden. Darunter: Nichts als Sand. Der Biologe lädt ein zur "kleinen Zeitreise, 200 000 Jahre zurück." Er berichtet von Gletschern, die Sand aus Skandinavien und der Ostsee zu einem Wall auftürmten, zu einer sogenannten Endmoräne - 150 Meter hoch, 15 bis 25 Kilometer breit. Die Wandergruppe steht auf den letzten Resten dieses Walls, nun soll es von 75 Metern über Normalnull sanft bergab gehen.

Die Wanderer sind im Biosphärenreservat unterwegs. Das ist eingeteilt in drei Schutzzonen, so Lange: "A sind Ortslagen, B die Landschaftsschutzgebiete, C umfasst die früheren Naturschutzgebiete - also das Heiligtum." Und durch dieses geht es achtsamen Fußes hinab in Richtung Elbe, die nach dem weißen Sand benannt wurde, der immer wieder auf den Waldpfaden im Herbst aufleuchtet. "Alba" ist lateinisch und bedeutet "weiß", erzählt der Gästeführer. Irgendwann wurde aus dem Fluvius alba, dem weißen Fluss, die Elbe.

Die ufernahen Wälder waren bevorzugte Jagdgebiete für Wölfe, erzählt Lange an einem großen, hölzernen Schild mit der Aufschrift Wolfsschlucht. "Die lebten hier wie im Schlaraffenland, da alle Tiere praktisch an ihnen vorbei zum Wasser mussten." Das währte aber nicht ewig. "Irgendwann konkurrierten die Menschen mit den Wölfen um dieselbe Nahrung", erklärt der Biologe. Nachdem die Wölfe zunächst von den Menschen ausgerottet wurden, gibt es in der Nähe bei Gartow mittlerweile wieder zwei Rudel, berichtet Lange. Weiter geht es durch Hochwassergebiete mit sumpfig-saftigen Böden. Es gibt weniger Laub, dafür mehr Brennnesseln. Langsam weitet sich der Blick auf den Fluss. Das Ufer ist ein Paradies für Storchenschnabel, Springkraut, Elbespitzklette, Giersch und mehr. Gehölze und Tümpel beherbergen etliche Frosch- und Krötenarten, Molche, Krebse, Schnecken. Irgendwo singt eine Amsel, während Andreas Lange Zahnspuren des Elbebibers an einem Baumstumpf zeigt.

Märchenhafte Wanderungen

Der Auenwald mit seinen Pappeln und Silberweiden verzaubert. Eine Frauengruppe, die leise singt, klingt aus der Ferne wie Elbenmusik. Kleine Serpentinen ziehen sich durch den Weinberg und münden an den Fundamenten einer slawischen Burg aus dem siebten Jahrhundert.

Der Höhenweg entlang der Steilkante gipfelt an einem Aussichtspunkt mit Panoramablick auf Wälder, Wiesen und Wasser bis weit ins Mecklenburger Land. "Ein Märchen besagt, dass früher die Zwerge den Menschen der Region geholfen haben. Sie lebten im Weinberg und bekamen als Dank immer eine Pfanne und einen Krug mit Brot und Bier", sagt Lange. "Dann kamen Wanderer, haben das Bier getrunken, das Brot gegessen und ihre Notdurft in der Pfanne verrichtet. So entstand der Begriff Pannenschieter. Die Zwerge jedenfalls waren so erbost, dass sie den Weinberg verlassen haben."

Märchenhaft geht es auch in den Rundlingsdörfern Jabel, Lübeln oder Gühlitz zu. Dort können Besucher die Bauernhäuser mit ihren großen, halbrunden Türen, den kunstvollen Fachwerkfassaden mit geschnitzten und farbig bemalten Dekorationen bestaunen. Wie die kleinen Dörfer mit dem speziellen Grundriss entstanden sind, dazu gibt es mehrere Theorien. Möglich sei etwa, dass die Slawen einfach sehr gesellig waren. Da die Häuser im Hufeisen zueinander stehen, konnten sich die Bewohner viel einfacher sehen. Dagegen spreche aber, dass es von Kiel bis Prag eigentlich nur Rundlingsdörfer gab. Wendland erhalten.

Entlang der Storchenstraße geht es zurück nach Hitzacker . Die Stadtinsel präsentiert ihre denkmalgeschützten Fachwerkhäuser und Gassen in orangenem Abendlicht. Die müden Knochen werden in den Kneipp-Anlagen des Kurortes wiederbelebt. Dann wartet der Elbstrand mit seinem feinen Sand und einer Ruhe, die heute selten geworden ist.

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 Auch mit dem Schiff können Besucher das Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue erkunden. Foto: Loges/dpa

Auch mit dem Schiff können Besucher das Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue erkunden. Foto: Loges/dpa

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Auf einen Blick Wer nicht gleich den 72 Kilometer langen Elb-Höhenweg entlang wandern will, der findet auch viele alternative Routen im Wendland. Mit rund 50 Kilometern bieten sich der Wendlandweg und Wendenstieg an, 26 Kilometer lang ist der Klötziestieg. elbtalaue-wendland.de

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