Wandern auf den Gipfeln Europas

Cangas de Onís · Im grünen Norden des Landes lockt Spaniens ältester Nationalpark Picos de Europa mit einer Bilderbuch-Bergwelt. Neben anspruchsvollen, mehrtägigen Wandertouren gibt es auch gemütlichere, kurze Routen.

 Im Nationalpark Picos de Europa können Besucher eine verwunschene, nebelige Landschaft entdecken. Fotos: Meyer/dpa

Im Nationalpark Picos de Europa können Besucher eine verwunschene, nebelige Landschaft entdecken. Fotos: Meyer/dpa

Die Bergluft ist noch kühl. Silbrig glitzert der Lago de Enol in der Morgensonne. Stiere grasen friedlich am Seeufer. Vorbei an kleinen Almhütten aus massivem Stein, über saftige Wiesen und Gebirgsbäche führt der Pfad zunächst hinauf ins Hochtal Vega de Canraso. Der Weg zur Grabstätte des Politikers und Naturschützers Pedro Pidal (1869-1941) ist wunderschön. Aber er ist auch anstrengend. Im Zickzack geht es steil 500 Höhenmeter den Hang hinauf. Von weitem beobachtet eine Herde von Gämsen, wie sich die Wanderer den Weg durch das Labyrinth aus Kalksteinfelsen kämpfen.

Dann endlich stehen die drei Madrilenen Cesar, Gerardo und Elena nach knapp fünf Stunden vor dem Grabstein, auf dem der letzte Wille Pedro Pidals eingemeißelt wurde: "Als großer Liebhaber des Nationalparks Covadonga möchte ich in ihm leben, sterben und auf ewig ruhen, in Ordiales, dem märchenhaften Königreich der Gämse und Adler." Heute heißt der Nationalpark Picos de Europa. Wer auf dem 1764 Meter hohen Ordiales-Bergsattel steht und direkt hinter dem Grabstein die tiefe Steilwand hinunterschaut, kann diesen Wunsch nur allzu gut verstehen.

Weit und breit ist nur wilde, ursprüngliche Natur zu sehen. Von hier aus kann man fast das gesamte Zentralmassiv des Parks überblicken. Nur 20 Kilometer vom Atlantik entfernt ragen die Picos imposant bis zu 2600 Meter in die Höhe. Ihren Namen "Gipfel von Europa" erhielten die malerisch zerklüfteten Berge von den spanischen Seefahrern. Waren die Gipfel doch das Erste, was sie bei ihrer Heimkehr vom europäischen Festland sahen.

Pedro Pidal kannte diese atemberaubende Bergwelt im grünen Norden Spaniens, in der sogar noch Wölfe und Bären zu Hause sind, wie seine Westentasche. Jahrelang ging er hier auf Jagd. Er war es auch, der 1915 auf einer USA-Reise im Yellowstone-Nationalpark das Konzept geschützter Naturreservate kennenlernte und in Spanien einführte.

Bereits 1918 weihte Alfons XIII. in Covadonga den Picos de Europa als den ersten Nationalpark Spaniens ein, der seit seiner Erweiterung 1995 nicht nur der älteste, sondern auch der größte des Landes ist. Heute erstreckt er sich auf 65 000 Hektar über Asturien, Kantabrien und Kastilien-Leon.

Den Nationalpark zunächst auf Covadonga zu taufen, hatte einen historischen Grund: Im Jahr 722 stoppte der westgotische Kriegsherr Pelayo in Covadonga die Araber, die in nur zehn Jahren fast die gesamte Iberische Halbinsel besetzt hatten. In den Berghöhlen formierte er den Widerstand und leitete 770 nach der Schlacht von Covadonga die Rückeroberung Spaniens ein, die erst 1492 unter den katholischen Königen mit der Einnahme Granadas endete.

Pelayo wurde zum ersten König Asturiens gekrönt. Noch heute trägt der spanische Thronfolger den Titel Fürst von Asturien. Seitdem ist die Höhle mit der Basilika, in der Pelayo begraben ist, ein Nationalheiligtum und Wallfahrtsort.

Der Trubel im Sommer ist enorm. Auch zu den etwas höher gelegenen Covadonga-Seen wie dem Lago de Enol zieht es Tausende. Doch es gibt unzählige Wanderwege, die von den Seen in die Bilderbuch-Bergwelt führen und die nicht überlaufen sind.

Amalia Menéndez freut sich auf die Urlauber. In ihrer kleinen Steinhütte am See verkauft die über 80-jährige Spanierin ihren Bergkäse, frische Eier und Milch. 20 Ziegen, ein paar Kühe und Hühner besitzt sie. Viele Tiere hat sie allerdings verloren. "Seit einigen Jahren gibt es immer mehr Wölfe hier", sagt Amalia. Ihre Hütte besteht nur aus einem einzigen Raum. An der Wand sind auf schmalen Holzregalen die reifenden Käse aufgereiht. Es riecht nach dem Rauch eines Holzfeuers.

Langsam geht die Sonne unter. Die Tagesausflügler kehren wieder in die weiter unten liegenden Bergdörfer wie Cangas de Onís , Arenas de Cabrales oder Bulnes zurück. Bulnes ist eines der wenigen spanischen Dörfer, das immer noch keine Straßenanbindung hat. Strom gibt es erst seit 1988. Seit 2000 führt eine Bergbahn in das Dorf.

Hier beginnt eine der wohl schönsten Wanderrouten zum 2519 Meter hohen Naranjo de Bulnes. Fast acht Stunden dauert die Wanderung. Doch sie lohnt sich. Die Schluchten und Steilwände sind sehenswert. Der wie ein überdimensionaler Zahn aussehende Naranjo de Bulnes ist zwar nicht der höchste, aber der wohl schönste Berg der Picos de Europa. Die 500 Meter hohe Steilwand bezwingen jedoch nur erfahrene Kletterer, die für den Aufstieg unter dem Gekreische unzähliger Adler und Geier fast den ganzen Tag brauchen.

Von Bulnes ist es nicht weit bis nach Poncebos. Hier startet der 28 Kilometer lange Wanderweg durch die sehenswerte Cares-Schlucht, eine der schönsten Bergwanderrouten Spaniens. Allerdings sollte man schwindelfrei sein, denn die Felsen fallen steil 100 Meter senkrecht ab. In den Picos de Europa findet jeder Wanderer eine Route nach seinem Geschmack - von der mehrtägigen Ruta de la Reconquista bis hin zu kurzen Wanderungen.

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 Wer auf die Gipfel von Spaniens ältestem Nationalpark klettert, durchquert dabei Steinwüsten in über 2000 Meter Höhe.

Wer auf die Gipfel von Spaniens ältestem Nationalpark klettert, durchquert dabei Steinwüsten in über 2000 Meter Höhe.

Auf einen Blick Der Nationalpark Picos de Europa im Norden Spaniens wurde bereits 1918 von König Alfons XIII. eingeweiht. Er ist der älteste und seit einer Erweiterung im Jahr 1995 auch der größte Nationalpark des Landes. In dem Gebiet leben unter anderem Bären , Wölfe und zahlreiche Gämse. Die Fluglinien Iberia, Vueling und Air Berlin fliegen von Deutschland über Madrid nach Oviedo. Von dort aus fahren Busse in die um den Nationalpark liegenden Dörfer. dpa/als

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