Verliebt ins Blau

Murnau · Es war Liebe auf den ersten Blick: Als Wassily Kandinsky und Gabriele Münter die Landschaft um Murnau entdeckten, waren sie sich schnell einig. Hier wollten die Künstler sich niederlassen und malen. Das war vor rund 100 Jahren. Zeugen dieser Liebe sind unzählige Bilder und die immer noch einladende Landschaft.

 Der Staffelsee bei Seehausen in Oberbayern war für die expressionistischen Maler ein Ort der Inspiration. Foto: Tourist Information Murnau/ Stoess

Der Staffelsee bei Seehausen in Oberbayern war für die expressionistischen Maler ein Ort der Inspiration. Foto: Tourist Information Murnau/ Stoess

Foto: Tourist Information Murnau/ Stoess

Fritz-Walter Schmidt mag diese Gegend. Deshalb arbeitet der Murnauer auch seit vielen Jahren daran, das Andenken an die expressionistischen Maler wiederzubeleben. "Die Erinnerung an Leben und Werk der Künstler, die es in meine Heimat verschlagen hatte, zu vermitteln, ist für mich zu einer Lebensaufgabe geworden", erklärt der vitale Ruheständler, der auch als Buchautor dieses Ziel verfolgt.

Der Autodidakt leitet Führungen zu den Orten, die die Maler , die sich 1911 zur Künstlergruppe Blauer Reiter zusammenschlossen, in ihren Bildern festgehalten haben. Das Münter-Haus, in dem die Malerin auch nach der Trennung von Kandinsky bis zu ihrem Tod 1962 gelebt hat, war so etwas wie die Kunst-Zentrale jener Jahre. Zu Besuch kamen Franz Marc und August Macke, Alexej Jawlensky und Marianne Werefkin.

Nach aufwändiger Renovierung, die das im Volksmund Russenhaus genannte Gebäude vor ein paar Jahren weitgehend in den Originalzustand zurückversetzt hat, ist das Münter-Haus mit seinen von den Künstlern bemalten Möbeln und der Kandinsky-Treppe, mit Gemälden und Grafiken ein Ausgangspunkt der Wanderungen zum Blauen Reiter. "Bei den Baumaßnahmen halfen gerade auch die Bilder, die Gabriele Münter von ihrem Haus gemalt hat", erklärt Schmidt. Mit dem kundigen Spurenleser an der Seite wandern die Besucher durch Murnau und das Blaue Land wie durch ein Open-Air-Museum. "Schauen Sie genau hin", fordert Schmidt auf und zeigt auf das Murnauer Ortspanorama mit Schloss und Kirche. Dann blättert er in seiner dicken Kladde, bis er Reproduktionen von Kandinsky- und Münter-Gemälden mit eben dieser Ansicht gefunden hat. Die Konfrontation der Wirklichkeit mit dem Abbild führt in die Welt der Künstler zurück und verrät viel über deren Ansatz. Sie ist auch für Kunst-Laien interessant und kurzweilig.

Getreu Kandinskys Maxime, man solle in den Bildern spazieren gehen, folgen die Besucher Schmidt durch den geschäftigen Ort. Das Stadtbild rund um die Mariensäule am Untermarkt, das Schloss und manche Gasse laden als kaum veränderte Kulisse zu Vergleichen mit den Interpretationen der Maler ein. Der Ortsspaziergang sei nur die Vorspeise, betont Fritz-Walter Schmidt.

Als Hauptgericht serviert er einen Ausflug in die Natur, zunächst ins braun-grüne Meer des von der Alpenkulisse gerahmten Murnauer Mooses. Mit 32 Quadratkilometern ist das Moos eines der größten zusammenhängenden Moorgebiete Mitteleuropas. "Es war eines der Lieblingsmotive der Maler , aber bei weitem nicht das Einzige", fügt Schmidt hinzu. Ein schmaler Höhenzug trennt das Moos vom Staffelsee , der Kandinsky und Münter ebenso inspirierte wie der benachbarte Riegsee. Auch das nahe Gebirge regte die Künstler immer wieder zu neuen Bildern an. So sehr die Farben begeistern, die aus den Gemälden strahlen, der wahre Farbenrausch findet in der Natur statt. Man könnte meinen, die Liebe der Maler zu ausdrucksstarker Farbgebung habe sich im Blauen Land entwickelt. Im Licht der Wintersonne und ohne geschlossene Schneedecke, die die Farben aus der Landschaft tilgen würde, beginnt die Natur zu leuchten. Allen voran die Seen, deren strahlendes Blau dem Land seinen Namen gegeben hat. Ein Blau, von dem Franz Marc gesagt hat, dass es die einzige Farbe sei, bei der er sich dauernd wohl fühle. Verstehen kann man's.

Und was gibt es als Nachspeise? Schmidt empfiehlt einen Besuch im Schlossmuseum mit der umfangreichen Münter-Sammlung. "Dort gibt es übrigens auch ein sehr gutes Restaurant", rät er zum Abschied. "Es muss ja nicht immer Kunst sein."

Zum Thema:

Auf einen Blick:Eine große Sammlung von Werken der Künstler des "Blauen Reiter" zeigt das Schlossmuseum Murnau . Zwei Sonderausstellungen widmet es vom 19. März bis 28. Juni dem Maler Paul Klee . Das Museum ist jeweils von Dienstag bis Sonntag von 10.00 bis 17.00 Uhr geöffnet. red

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