Urlaub beim Kaiser um die Ecke

Heringsdorf · Im Sommer bleibt am Strand der Kaiserbäder auf Usedom oft kein handtuchbreites Fleckchen frei. Im Herbst wird es deutlich entspannter. Und Sonne gibt es in dieser Jahreszeit immer noch genug.

Usedom, nach Rügen Deutschlands zweitgrößte Insel, vibriert im Sommer, wenn es Tausende von Touristen in die Sonne an seine kilometerlangen Strände zieht. Aber ab Mitte September ist Nebensaison. Dann wird es ruhiger, auch in den Kaiserbädern. Heringsdorf zählt dazu, auf der einen Seite davon Bansin, auf der anderen Ahlbeck. Noch ein Stück weiter Richtung Südosten liegt dann schon Swinemünde, das heute Swinoujscie heißt und zu Polen gehört. Alle liegen so dicht beieinander, dass man bei einem Spaziergang von einem zum anderen laufen, oder mit dem Rad entlang der Promenade alle auf einmal abfahren kann.

Strandspaziergänge sind im Herbst schon deswegen einladend, weil man nicht mehr zwischen den Massen von Urlaubern hindurchtänzeln muss. Aber hinzukommt, dass das Licht über der Ostsee nun oft skandinavisch-mild ist: hellblau, sanft-gelb und in der Stunde vor Sonnenuntergang manchmal mit orangenen Schlieren am Himmel. Und überhaupt: In den Kaiserbädern bieten sich immer wieder Blicke, bei denen man automatisch stehen bleibt.

Das ist vielleicht einer der Gründe, warum der Tourismus in Deutschland hier eine seiner Wurzeln hat: Die Kaiserbäder waren die touristischen Anziehungspunkte an der Ostseeküste in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Erst kamen die Adeligen, später auch betuchte Bürgerfamilien, die gerne bei den Freiherren, Grafen oder sogar beim Kaiser um die Ecke Urlaub machen wollten. Zu sehen gibt es häufig die sogenannte Bäderarchitektur. Der Stil, in dem in den Badeorten viele Villen gebaut sind, oft in wildem Formenmix, der sich an wenig Regeln hielt.

An Heringsdorfs Promenade reihen sich heute schicke Hotels aneinander. In etlichen Villen sind Ferienwohnungen und Pensionen eingerichtet.Und auf der Promenade überholen Radfahrer Inline-Skater und die Familie auf dem Weg zum Strand trifft auf das Paar, das gerade seine Jagdhunde ausführt. Auf einer Bank sitzt zudem ein Akkordeonspieler, der "Wo die Ostseewellen..." spielt.

Am Strand bauen Kinder Sandburgen oder lassen mit Mama oder Papa Drachen steigen. Und selten gibt es Tage, an denen sich nicht der eine oder andere in die Ostsee traut, manche auch noch im Oktober. In der Nachsaison geht es auch an Heringsdorfs Seebrücke, die mit 508 Metern als Deutschland längste gilt, etwas entspannter zu. Cafés und Restaurants wie das "Rialto" ganz am Brückenende sind jetzt nicht mehr hoffnungslos überlaufen. Nur eine Handvoll Besucher sieht sich am Nachmittag in der Villa Irmgard um. Der russische Schriftsteller Maxim Gorki hat von Mai bis September 1922 in dem Haus in Heringsdorf gewohnt und an seiner Autobiografie geschrieben. Schon seit Jahrzehnten ist es ein Museum, in dem es auch im Herbst regelmäßig Lesungen oder Filmvorführungen gibt. Gorkis wuchtiger Schreibtisch steht noch am Fenster, samt einer Schreibfeder und einiger Fotoalben des Autors, in denen Besucher blättern dürfen.

Ahlbeck ist von Heringsdorf aus schnell erreicht. Die Seebrücke dort reicht ebenfalls weit ins Meer und gilt bei vielen Urlaubern als die fotogenste der Insel. An ihrem Ende reicht der Blick weit über die Ostsee. Im Herbst ist der Horizont manchmal kaum auszumachen, weil Himmel und Wasser in ähnlichem Graublau schimmern.

Wer sich für Literatur interessiert, sollte unbedingt auch nach Bansin: Hans Werner Richter hat als Kind dort gelebt, der Mitbegründer der Gruppe 47, dem legendären Autorenzirkel um die späteren Literaturnobelpreisträger Günter Grass und Heinrich Böll . Das mehr als 100 Jahre alte Feuerwehrhaus Bansins ist heute ein Richter-Museum. Es gibt eine Reihe persönlicher, manchmal skurriler Ausstellungsstücke: Der Hut, den Richter bei seiner Hochzeit trug, gehört dazu, das Glöckchen, mit dem er Treffen der Gruppe 47 leitete, seine alte Olympia-Schreibmaschine oder ein Gebetsteppich, den er von Böll geschenkt bekam. An den Wänden hängen viele Kunstwerke aus Richters Sammlung und Fotos der Gruppe 47.

Abends ist es in den Kaiserbädern in der Nachsaison eher still. Aber die Sonnenuntergänge bleiben sehenswert - oder werden sogar noch schöner.

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Auf einen BlickUsedom ist eine Insel in der Pommerschen Bucht in der südlichen Ostsee. Die Insel gilt als eine der sonnenreichsten Gegenden Deutschlands. Der größte Teil der Insel gehört zum Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, der östliche Teil mit der Stadt Swinemünde gehört zu Polen. redusedom.de

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