Sardiniens letzter Geheim-Tipp

San Pietro · Die Insel San Pietro am Südzipfel Sardiniens ist im August von Touristen überlaufen. Selbst die Prominenz findet ohne Reservierung keine freien Tische. In der Nebensaison ist das Eiland beschaulicher.

 Über den Dächern von Carloforte: Kein Haus in der Hauptstadt der Insel San Pietro ist höher als der Kirchturm. Foto: Sobik

Über den Dächern von Carloforte: Kein Haus in der Hauptstadt der Insel San Pietro ist höher als der Kirchturm. Foto: Sobik

Foto: Sobik

Am Ende musste er an Deck der Yacht essen, mit der er gekommen war. Dabei hätte Antonello Pomata ihm gerne geholfen. Er und konnte trotzdem nur mit den Schultern zucken: "Kein Tisch frei diesen Abend, nicht mal ein Stuhl. Und an den nächsten fünf, sechs Abenden auch nicht." Nicht mal für Tom Cruise mit Gefolge. Alles reserviert.

Wie immer im August, wie üblich um diese Jahreszeit im besten Restaurant von Carloforte auf der Insel San Pietro gut sieben Kilometer vor der Südspitze Sardiniens. Ins "Da Nicolo" in vorderster Linie mit Blick auf den Yachthafen kommen sie alle: Die, die dann doch ganz gern gesehen werden wollen und die, die darauf gut verzichten können und einfach nur sehr gut essen möchten - unter Palmen und Platanen, zwei Schritte von der Hafenzeile aus alten Fischerhäusern, 15 Schritte vom Mittelmeer .

Italienische Fußball-Stars kehren hier ein, Mode-Designer wie Roberto Cavalli , die Fiat-Besitzerfamilie Agnelli, der Bulgari-Juwelen-Clan - und viele mehr, an die Antonello und sein Vater Nicolo sich aus Diskretion gar nicht erst erinnern. Die meisten von denen reisen mit einer Yacht an, und alle reservieren zur Sicherheit vorher. Und da gilt völlig unabhängig von etwaiger Berühmtheit: Wer zuerst kommt, der mahlt zuerst.

Wichtig ist das ohnehin nur im August, wenn ganz Italien zeitgleich Urlaub macht. In allen anderen Monaten ist viel weniger los und fast immer auf Anhieb ein Tisch im "Da Nicolo" zu bekommen. Aber offenbar hat niemand Mister Cruise davon im Voraus erzählt.

Nachdem der Mann aus Hollywood am Eingang im Stehen in die ausgehängte Speisekarte geschaut hatte, mochte er nicht mehr woanders hingehen oder sieben Tage auf einen Sitzplatz warten. Er bestellte einfach außer Haus: Filet vom St. Petersfisch mit Babykartoffeln, Rinderfilet mit Pecorino-Kruste, Tempura-Crêpes gefüllt mit Muscheln und Scampis, dazu Salate und Mozzarella-Tomaten mit Basilikum und Balsamico. Leider war kein Kellner frei, um all das zur Yacht zu tragen: zu viel los um diese Zeit. Antonello Pomata tat es wirklich leid.

Cruise und sein Gefolge schleppten deshalb selber und wirkten sogar so, als ob sie durchaus Spaß daran gehabt hätten. Spät am Abend konnte Antonello immerhin ein paar Mitarbeiter schicken, um das Geschirr wieder abzuholen.

Fast überall sonst in der Welt hätte der Wirt andere Gäste ausgeladen oder von irgendwo her ein paar zusätzliche Möbelstücke organisiert, wenn ein Hollywood-Star vor der Ladentür steht: hier nicht. Nicht aus Bosheit, schon gar nicht aus Arroganz. Einfach aus Bodenständigkeit. Und weil nun mal alles reserviert war. "Wissen Sie", sagt Antonello, während er seine große Hornbrille mit den schwarz-grünen Bügeln aufsetzt, "die Insel San Pietro gehört zwar irgendwie zu Sardinien, aber wir sind das krasse Gegenteil der Costa Smeralda, wo die meisten Yachtbesitzer und viele Superreiche unterwegs sind. Wir sind bodenständig, einfach, fern von großer Show." Er nippt an seinem Glas mit kühlem Vermentino vom einzigen Insel-Weingut. "Hier interessiert keinen, was der andere zuhause macht und wer er ist."

54 Quadratkilometer groß ist die Insel, nur knapp mehr als die halbe Größe von Sylt. Gut 6200 Menschen leben hier, fast alle in der Hauptstadt Carloforte. Ob unterdessen Tom Cruise wiederkommen will? "Weiß nicht", sagt Antonello Pomata. Zumindest hat er bislang nicht reserviert." Dafür war kürzlich Johnny Depp da. Er hat auf Anhieb einen Tisch bekommen. Wie es dazu kam? "Ganz einfach", sagt Antonello. "Es war Juni. Und da ist es kein Problem."

 Die zerklüftete Küste aus Basalt. Sie ist ein Kontrastprogramm zu den Stränden der Insel San Pietro. Foto: Sobik

Die zerklüftete Küste aus Basalt. Sie ist ein Kontrastprogramm zu den Stränden der Insel San Pietro. Foto: Sobik

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Auf einen BlickAnreise: Flüge nach Olbia im Norden Sardiniens oder Cagliari im Süden mit Germanwings oder Air Berlin ab verschiedenen deutschen Städten. Ticketpreise liegen ab 90 Euro aufwärts pro Strecke. Die Fähre nach San Pietro kostet 19 Euro inklusive Auto. red

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