Bretagne Im malerischen Flusstal der Rance

Dinan · Die Rance durchfließt die Bretagne. Tief greift der Fluss ins Inland, überrascht mit dem Erbe der Korsaren, dem Zahn eines Riesen – und Wein.

 Die Reise entlang der Rance führt nach Dinan mit seiner historischen Brücke.

Die Reise entlang der Rance führt nach Dinan mit seiner historischen Brücke.

Foto: dpa-tmn/Andreas Drouve

François Lang stemmt sich Vorurteilen entgegen wie dem Küstenwind am Ärmelkanal. „Bei uns in der Bretagne ist es nicht immer kalt, und es regnet nicht ständig“, sagt der 62-Jährige, der bei der Schlossstadt Dinan das Naturkundehaus leitet.

Dort strömt in Sichtweite die Rance vorbei. Sie ist Langs Passion, privat wie beruflich. Es gibt nichts, was der Franzose nicht weiß über dieses Flusstal, das sich auf Höhe der Hafenstadt Saint-Malo tief ins Landesinnere schneidet. Stets die Gesichter wechselt: vom Mündungstrichter über seengleiche Weiten bis zu schmalen Schleifen, die gesäumt sind von Rad- und Spazierstrecken.

Der größte Eingriff in die Landschaft war in den 1960er Jahren der Bau des Gezeitenkraftwerks bei Saint-Malo. „Da wollte man der Welt zeigen, wer die besten Ingenieure hatte“, sagt Lang.

Damals wurde das Risiko von Überflutungen durch Schleusen und einen Staudamm gebannt. Doch die Fischer weiter im Inland, deren Vorväter einst bis nach Neufundland fuhren, um Kabeljau zu fangen, wurden ausgebootet.

Geblieben sind die idyllischen Orte. Saint-Suliac ist der stimmungsvollste. Enge Gassen, viel Blumenschmuck, eine Kirche aus dem Mittelalter und Spitzengardinchen in den Fenstern. Historisches Flair versprüht auch die Ortschaft Léhon mit ihrer Abtei, in deren Kreuzgang
Rosenstöcke duften.

Besprühte Bootsskelette Das Tal der Rance bietet jede Menge Sehenswürdigkeiten. Zum Beispiel den Menhir Dent de Gargantua, ein gewaltiger Hinkelstein, den der Volksmund als herausgefallenen Zahn eines Riesen interpretiert. Oder alte Gezeitenmühlen, in denen Getreide gemahlen wurde.

An der Mündung wurde im Spätmittelalter der Solidor-Turm als Wächter platziert. Da sind auch die sogenannten Malouinières: Anwesen, in denen sich reich gewordene Korsaren und Reeder vor Jahrhunderten niederließen.

Kurios ist der Schiffsfriedhof nahe der Plage de la Passagère. Die gestrandeten Holzskelette mit verrosteten Nägeln trotzen in der Bucht ihrem Schicksal, besprüht mit bunten Graffiti.

Wein aus der Bretagne Wenn man eines nicht erwartet in der wind- und wettergepeitschten Bretagne, dann ist es Weinbau. Doch genau den betreibt die Hobbywinzervereinigung Les Vignerons de Garo.

Der Archäologe Jean-Bernard Vivet und der pensionierte Krankenpfleger Hervé Geffroy hegen bei Saint-Suliac einen Südhang, der in Sichtweite der Rance solide Rote und Weiße hervorbringt. In solch bescheidener Menge, dass jedem Mitglied lediglich zwei Dutzend Halbliterflaschen pro Jahr zufließen. Verkauft wird kein Tropfen. Vivet spricht von „Freude, Neugier und Weinleidenschaft“. Zugleich handele es sich um ein „großes Experiment“ – wegen des Klimawandels.

Dadurch könnte sich der Weinanbau in Gegenden verlagern, die heute noch feucht und frisch sind. Wird sich die Bretagne also in 100 Jahren zur renommierten Winzeradresse gewandelt haben?

„Vielleicht sogar früher“, sagt Hervé Geffroy. Die Profis kauften schon in England attraktiven Grund und Boden.

Begegnungen am Fluss Die Reise am Fluss führt an Eichen, Esskastanien und Maisparzellen entlang – zu Gaud Benoit. Unterhalb der Altstadt von Dinan lebt und arbeitet die 52-Jährige auf einem Hausboot. Hier hat sie ihren Laden und ihr Atelier. Sie entwirft Mode made in der
Bretagne: Pullover, Schals, Jacken, Fleeceshirts – und nun auch Masken. „Nah am Wasser zu leben, ist gut für die Inspiration“, sagt sie.

Ebenfalls an der Rance, flussabwärts vor dem Gezeitenkraftwerk, liegt das Reich von Thibault de Ferrand. Im Besitz seiner Familie sind das Herrenhaus und der Park von Montmarin. Zwischen April und Oktober steht das Sechs-Hektar-Areal Besuchern offen.

Das war bereits so, als Thibault de Ferrand noch ein Kind war. Deshalb durfte er im Sommer den Tag über nicht zum Spielen in den Park. „Das war schwer“, erinnert er sich. Dafür konnte er sich in den zahlreichen Zimmern des Landguts leicht verstecken. Wie in einem Museum sei er aufgewachsen.

Die Kaschmir-Zypressen im Park hat de Ferrand eigenhändig gepflanzt. Oft spaziert er allein umher, lauscht dem Rauschen des Windes in Ginkgos, Stieleichen, Rotahorn und Libanon-Zedern. „Wir haben Pflanzen von fünf Kontinenten“, erzählt er stolz.

Der Blick fällt auf die Rance, Möwen kreischen. Jachten liegen auf Reede. „Unser Klima ist mild, aber wechselhaft“, sagt der Gastgeber und sucht dann schnell Unterschlupf vor dem Guss.

Kurz darauf kommt die Sonne heraus. Als wäre nichts gewesen. Es regnet tatsächlich nicht ständig in der Bretagne. Man muss nur ständig damit rechnen.

(dpa)
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