Lodernde Flammen auf Sylt

Sylt · Seit 2014 ist es immaterielles Kulturerbe: das Biikebrennen. Seinen Ursprung hat der nordfriesische Brauch auf Sylt – meinen zumindest die Inselbewohner. Sie feiern das Nationalfest mit Fackelzügen, großen Feuern, Grünkohlgelagen und Tanz.

 Beim sogenannten Biikebrennen versammeln sich die Nordfriesen, um die Geister des Winters zu vertreiben.Foto: Insel Sylt Tourismus SERVICE

Beim sogenannten Biikebrennen versammeln sich die Nordfriesen, um die Geister des Winters zu vertreiben.Foto: Insel Sylt Tourismus SERVICE

Foto: Insel Sylt Tourismus SERVICE

Birgit Damer hält eine Wachsfackel in der rechten Hand. Der Feuerschein spiegelt sich in ihren Augen, Nordseewind zerzaust ihre Haare. Die Fackel darf noch nicht ins Feuer, noch ist nicht die Zeit für einen Wunsch. Die 49-Jährige stammt aus Berlin, vor 14 Jahren kam sie nach Sylt . Und blieb. Jetzt organisiert sie es mit, das große Feuerfest der Friesen: Biikebrennen, eine Mischung aus Tradition und Tourismusspektakel. "An diesem Feuer ist es egal, ob man zugezogen ist, Urlauber oder schon immer hier gelebt hat. An diesem Feuer gibt es nur eins - Zusammengehörigkeitsgefühl", schwärmt Damer. Energisch wirft sie die brennende Fackel in die Flammen. "Erlischt sie vorher nicht, geht ein stillgesagter Wunsch in Erfüllung." Dieses Mal klappt es. Zumindest mit der Fackel.

Viele, sehr viele Wünsche dürften über die Jahrhunderte in Flammen aufgegangen sein. Denn die Biike - Sylter Friesisch für "Feuerzeichen" - geht auf heidnische Zeiten zurück. "Das Feuerzeichen hat seinen Ursprung in der Wintervertreibung", erzählt Sven Lappoehn, Geschäftsführer des Sylter Heimatvereins. Sobald das alte Holzfass, das an einem großen Pfahl angebracht wird, bei der Biike in die Flammen stürzt, gehörten die Wintergeister der Vergangenheit an.

Eine lange Tradition

Der Brauch habe sich später zum Abschiedsfest der Seefahrer am Vorabend ihrer Abreise gewandelt. Zwischendurch, erinnert sich der 47-jährige Familienvater, war die Biike auch mal "mehr oder weniger verschollen". Christian Peter Hansen, Lehrer und Chronist der Insel Sylt , habe den Brauch und mit ihm den Nationalstolz der Friesen um 1864 wiederbelebt. Doch die ältesten Quellen zur Biike kämen "wohl vom Festland", ringt sich Lappoehn ein historisches Eingeständnis ab.

Biikebrennen gibt es auch außerhalb von Sylt , in Friesland etwa. Immer am 21. Februar, dem Tag vor dem Petritag, zeigen die Friesen ihre Tradition mit den weit über mannshohen Feuern. "Es ist das einzige Mal im Jahr, wo man Feuer im Dorf machen darf", sagt Wilfried Schewe, Reservist der Freiwilligen Feuerwehr. ´Er blickt auf die Keitumer Reetdächer, spricht vom "kontrollierten Ausbrennen" der Biike-Feuer. Wegen der vielen reetgedeckten Gebäude herrsche bereits seit vielen Jahren ein striktes Feuerwerksverbot auf der Insel, so Schewe. Das gelte jedoch nicht für die Biike, auch wenn sie je nach Windstärke manchmal abgesagt oder das gesamte Material umgestapelt werden muss.

Nach der Biike gibt es vielerorts deftige Bankette mit Grünkohl, Wurst und in Anis gekochter Schweinebacke. "Diese Tradition kam wohl erst im Laufe der Jahre dazu", sagt Urfriesin Jutta Thomsen. Heute sind diese Gelage so beliebt, dass es einer Voranmeldung beim jeweiligen Veranstalter bedarf. Das "warme Essen für alle" habe einen besonderen Reiz, gerade Ältere seien froh über ein Essen in Gesellschaft. Nationalhymne, Ansprache in Mundart, Gemeinschaftsgefühl - die Tradition ist mehr als ein riesiger, lodernder Holzstapel.

Zum Thema:

Auf einen Blick Alle Termine und Orte der Biikebrennen finden Touristen auf der Webseite von Nordseetourismus. Auch eine Anmeldung für das traditionelle Grünkohlgelage ist im Internet möglich. nordseetourismus.de

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