Jetzt ist in der Provence alles anders

Crillon-le-Brave · In den Dörfern um den Mont Ventoux riecht die Luft nach Kaminholz und Spanferkelbraten. Der Sommer ist endgültig vorbei, die Tage werden immer kürzer, die Menüs deftiger – und das sanfte Licht taucht die Weinhügel um das Dorf Crillon-le-Brave in goldrote Farben.

 Am Abend kommt langsam der Nebel aus der Ebene gekrochen und umhüllt das still daliegende Provence-Dorf Crillon-le-Brave mit einem weißen Schleier. Die Stimmung ist magisch. Fotos: SZ/Maack

Am Abend kommt langsam der Nebel aus der Ebene gekrochen und umhüllt das still daliegende Provence-Dorf Crillon-le-Brave mit einem weißen Schleier. Die Stimmung ist magisch. Fotos: SZ/Maack

. Wenn im November über New York und Buffalo die ersten Schneestürme hinwegfegen, kann man in der Provence mittags noch in der Sonne sitzen. Die Luft ist schon kühl, die Sommerhitze verflogen, und über den Dörfern um den Mont Ventoux schwebt der unverkennbare Duft von Kaminholzrauch.

Die Sommergäste sind weg, die Ferienhäuser zugenagelt, die Provenzalen endlich unter sich. Sie treffen sich am Abend auf dem Dorfplatz, meist Handwerker und Bauern, die an den Hängen um das Dorf Crillon-le-Brave Weintrauben, Kirschen und Aprikosen anbauen.

Viele sind über 60, die Frauen tragen bunte Kittelschürzen, die Männer dunkle Baskenmützen und graue Strickjacken . Es wird gelacht und getratscht. Wer dazugehören will, muss hier geboren sein, auch wenn in Immobilien-Hochglanzheften gerne etwas anderes behauptet wird. Der Ansturm auf alte Bauernhäuser, die von wohlhabenden Ausländern zu Luxus-Feriendomizilen ausgebaut werden, ist um den Mont Ventoux aber noch nicht so verbreitet wie im schicken Lubéron oder in den noch schickeren Alpilles.

Von weitem sieht der fast 2000 Meter hohe Berg aus wie ein dicker grüner Flauschteppich mit Faltenwurf. Weiter oben leuchtet er weiß, aber das ist im November noch kein Schnee, sondern Geröll. Dennoch möchte man jetzt nicht da oben sein, der Wind donnert über die kahle Kuppe, heult um die Ecken und zerrt erbarmungslos an den ohnehin schon krummgebeugten Krüppelkiefern und Steineichen.

Da bleibt man doch lieber unten im Tal, entkorkt eine Flasche Rotwein vom vergangenen Jahr, röstet Kastanien im Kaminfeuer und betrachtet die Nebelfäden, die sich am Fuße des Berges bilden und das Dorf Crillon-le-Brave langsam umschlingen, bis der ganze Horizont weiß ist.

Koch Jérôme Blanchet hat die leichte Sommerkost von der Speisekarte verbannt und kann endlich wieder "richtiges Essen" aus dem Topf zaubern - Rehrücken, Spanferkel, gebratene Tauben. Alles wird mit viel Olivenöl, Kräutern und knusprigem, braunen Brot angerichtet. Die im Sommer stets vollen Terrassen des Hotels Crillon-le-Brave sind geschlossen, serviert wird nun in einer urigen Gewölbe-Stube vor einem riesigen Kamin aus grauem Stein, der genausogut in den Papstpalast von Avignon gepasst hätte. Das trockene Holz knackt und sprüht Funken, das Feuer verbreitet Wärme und macht schläfrig.

Im Spätherbst in der Provence versäumt man am Abend sowieso nichts, die Festspiel- und Konzertsaison im nahen Avignon ist endgültig vorbei. Am nächsten Morgen kriecht die Sonne erst spät hinter dem Mont Ventoux hervor und hetzt niemanden zur Arbeit.

Die Landstraßen sind frei, auch frei von dürren Muskelmännern, die auf ihren Carbonrädern knapp am Kühlergrill vorbeisausen. ,,Und endlich haben wir wieder normale Gäste, nicht diese komischen Typen, die dauernd ihre Teller abfotografieren", betont der dicke Kellner in der Dorfkneipe von Pernes-les-Fontaines.

Das Städtchen wird im Sommer von Besucherscharen überrannt, weil es hier sehenswerte Brunnen und ein altes Stadttor gibt. Das Geknipse gehe ihm auf die Nerven, sagt der Kellner und balanciert dabei einem älteren Ehepaar zwei Dessert-Teller mit schokotriefenden Profiterolles auf den Tisch.

Das Ehepaar nickt verständnisvoll und taucht den Löffel in die üppige Masse. Mit den "portables" (Handys) würde auch noch der letzte Hundehaufen abgelichtet, sagen sie. Es sei denn, brüllt der dicke Kellner von der Bar herüber, der Hundehaufen - ,,les crottes du chien" (er sagt ,,chieng") -, sei in einem Trüffelwald versteckt. Das sei dann ein aufschlussreicher Hinweis auf das Vorkommen der Spezialität. Und schon ist man bei der nächsten Köstlichkeit des Herbstes angelangt. Früher habe man Trüffel überall um den Mont Ventoux gefunden, jetzt müsse man professionell danach suchen, erklärt Sébastien Pilat, Hoteldirektor in Crillon-le-Brave . Für seine Gäste organisiert er im November spezielle Trüffelwochenenden, mit Wanderungen durch den Eichenwald in Begleitung von Trüffelexperten und Hunden. Eine Massenbewegung soll diese Suche aber nicht werden.

Am Abend versinkt das 400-Seelen-Dörfchen Crillon-le-Brave wieder in den Tiefschlaf. Um den mittelalterlichen Burgturm, der langsam vom Nebel verschluckt wird, dreht ein Krähenschwarm seine Runde. Im Norden wäre dies unheimlich, in der Provence hingegen ist es Zeit, den nächsten Holzscheit auf den Kamin zu legen und eine Flasche des Weins zu entkorken, der in Sichtweite wächst, unten im Tal, wo der stille Herbst Einzug gehalten hat.

Zum Thema:

Auf einen BlickWenn man sich einen Überblick über die Region um den Mont Ventoux und verschaffen möchte, gibt es eine sehr informative deutsche Internet-Seite, über die man sogar Unterkünfte buchen kann - vom einfachen Zimmer beim Bauern bis zum schicken Hotel. provence-tourismus.decrillonlebrave.com