Reise ins „spanische Rom“ Unter Geiern an den Klippen des Tajo

Villareal de San Carlos · Drei Autostunden westlich von Madrid breitet sich die Extremadura aus. Hier locken viel Kultur und ursprüngliche Natur.

 Cáceres gehört wegen seiner gut erhaltenen mittelalterlichen Altstadt seit 1986 zum Unesco-Weltkulturerbe.

Cáceres gehört wegen seiner gut erhaltenen mittelalterlichen Altstadt seit 1986 zum Unesco-Weltkulturerbe.

Foto: Spanisches Fremdenverkehrsamt/dpa/Spanisches Fremdenverkehrsamt

Kurvenreich windet sich die schmale Landstrasse durch den Naturpark von Monfragüe. Plötzlich, nach einer Biegung sind sie am Himmel als kleine Punkte zu erkennen: die Mönchsgeier.

Gut 300 Paare der vom Aussterben bedrohten Aasfresser leben hier an den Klippen des Tajoflusses. Scheinbar schwerelos schweben sie von den aufragenden roten Felskanzeln, schwingen sich empor ins Himmelsblau und ziehen ihre Kreise. Manchmal kommen sie Besuchern so nah, das der Flügelschlag der 2,80 Meter weiten Schwingen zu hören ist.

Für Vogelkundler aus aller Herren Länder ist der „Parque Natural de Monfragüe“ nahe Villarreal de San Carlos daher ein Anziehungspunkt. Mit starken Ferngläsern stehen sie an einer der Beobachtungsstellen, an der Landstrasse CC 911 Richtung Estación de la Bazagona und an der EX 208, am legendenumwobenen Felsenvorsprung „Salto del Gitano“. An der Klippe soll sich der Legende nach ein Pferdedieb auf der Flucht vor der Guarda de Civil todesmutig in die Tiefen des Tajotales gestürzt haben. Er ward nie wieder gesehen.

Der Naturpark von Monfragüe zwischen den Städten Plasencia und Trujillo ist das Kernstück der Extremadura, einer etwas abseits liegenden Region Spaniens zwischen Kastilien und Portugal. „Fernab des Douro“ oder „Extrem und hart“ gelten als Übersetzungen des Namens Extremadura. Dennoch zählt die Gegend an der Grenze zu Portugal mit Tälern wie dem Valle del Jerte, in dem Ende März bis Mitte April zigtausende Kirschbäume blühen, dank ausgeklügelter Bewässerungssysteme zu den fruchtbarsten Landschaften Spaniens.

Reich an Geschichte ist das dünn besiedelte Land, in dem die Uhren langsamer zu ticken scheinen als im Rest des Landes: Bedeutender Zeuge römischer Baukunst ist die Brücke über den Rio Guadiana von Mérida aus dem ersten Jahrhundert vor Christus. Mit 60 gemauerten Bögen und einer Länge von 721 Metern ist sie die längste aus der Antike erhaltene Brücke. Auf Schritt und Tritt begegnen den Besuchern Méridas die steinernen Zeugen großer römischer Vergangenheit – Trajansbogen, Aquädukt, Amphitheater und das Museum für römische Kunst lohnen den längeren Aufenthalt im „spanischen Rom“. Mit rund 60 000 Einwohnern ist Mérida übrigens heute nur wenig größer als vor 2000 Jahren.

70 Kilometer sind es über die Silberstrasse (Ruta de la Plata) von Mérida bis nach Cáceres, dessen malerisches Zentrum bereits 1986 zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt wurde. Hinter dicken Stadtmauern durch die engen Gassen zu streifen, heißt, sich ins Mittelalter zurückversetzen: Das Bild der Adelspaläste, Kirchen und Klöster hat sich seit Jahrhunderten nur wenig verändert. Die Altstadt von Cáceres gilt daher als eines der besonders gut erhaltenen historischen Stadtzentren Europas.

Kontrast zum mittelalterlichen Stadtkern ist das ein paar Dutzend Kilometer vor der Stadt liegende Museum des deutsch-spanischen Künstlers Wolf Vostell. 1976 in einem ehemaligen Wollwaschhaus eröffnet, zeigt die Sammlung Werke des gebürtigen Leverkuseners, der Happenings leitete, mit Videokunst experimentierte und die Kunstbewegung Fluxus, die in der Tradition des Dadaismus gesehen werden kann. Die Ausstellungsstücke sind in die urwüchsige Naturlandschaft mit ihren Rundfelsen und Storchennestern eingebettet, beispielsweise die Skulptur „Voaex“, die aus einem einbetonierten Auto besteht.

Wer durch die urwüchsige Landschaft reist, kann sein müdes Haupt nachts in historischen Mauern betten, in einem der Paradores. In der Extremadura sind die Herbergen in Burgen und historischen Adelssitzen angesiedelt. In der wehrhaften Festung von Jarandilla de la Vera – ebenfalls ein Hotel – nächtigte im Winter 1556/57 schon Kaiser Karl V.

Weit im Osten hinter einer über 1000 Meter aufragenden Bergketten liegt der Marienwallfahrtsort Guadalupe, dessen imposanter Klosterbau aus dem 14. und 15. Jahrhundert mit den vielen Türmen, Zinnen und Kuppeln aus Gotik und Renaissance das Gebirgstal beherrscht. 1993 wurde der Klosterkomplex ebenfalls zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt.

Zahlreiche Gläubige pilgern auch heute noch zur Statue der Schwarzen Madonna, an der schon Kolumbus vor seinen Entdeckerreisen gebetet hat. Im Mittelalter galt Guadalupe als eines der bedeutendsten Klöster Spaniens und war darüber hinaus neben Santiago de Compostela wichtigster Wallfahrtsort des westlichen Europas. Das ehemalige Klosterhospiz ist ebenfalls eine Parador-Herbege.

Die Extremadura ist die Heimat der meisten Konquistadoren, das Land der Eroberer. Auf Schritt und Tritt begegnet man ihrer Geschichte. Aus Trujillo stammen Francisco de Orellana, der Entdecker des Amazonas, und Francisco Pizarro, Eroberer von Peru. Sein bronzenes Reiterstandbild beherrscht die Plaza Major. Es erinnert an den früheren Schweinehirten, der weder lesen und schreiben konnte. Dennoch brach er im Jahr 1531 mit 200 Getreuen von hier aus auf, das Reich der Inkas zu erobern – extrem und hart, wie die Extremadura.

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