Auf Monets Spuren Die grünen Gärten der Normandie

Bayeux · Auf einer Reise durch den Norden Frankreichs können Urlauber kunstvoll angelegte Grünanlagen besuchen.

 Akkurat gestutzt sind die Gewächse im Parterre des Schlossgartens von Château de Brécy – eine zeitraubende Arbeit für die Gärtner.

Akkurat gestutzt sind die Gewächse im Parterre des Schlossgartens von Château de Brécy – eine zeitraubende Arbeit für die Gärtner.

Foto: dpa-tmn/Daniela David

Seerosen, wucherndes Grün und ein Meer bunter Blüten – bei den Gärten in der Normandie denken viele an das grüne Refugium des Malers Claude Monet in Giverny. Doch neben diesem weltberühmten Künstlergarten gibt es in der Region rund 120 weitere Gärten, vom französischen Barockgarten bis zum englischen Landschaftspark. Der klassische Garten à la francaise aus der Barockzeit symbolisiert französische Lebenskunst. Solche elaborierten Gärten befinden sich sogar noch in Privatbesitz.

„Elektrische Leitungen in Sichtweite habe ich in die Erde verlegen lassen“, sagt Didier Wirth, der Eigentümer von Château de Brécy im Departement Calvados. Ungetrübt soll der Blick sein, in dem streng symmetrisch angelegten Garten des Schlosses mit Wasserbecken und Laubengängen. Er zählt zu den wenigen noch erhaltenen Gärten aus dem 17. Jahrhundert.

Mehrere Gärtner schneiden die Gehölze akkurat in Kugel-, Kegel- und Glockenform. Aufwändig ist auch die Pflege des großen Parterres aus Buchsbaum, das wie Stickereien aus Pflanzen aussieht. In der Gartenkunst ist das Parterre ein niedrig bepflanztes, oft aufwändig gestaltetes und mit Ornamenten verziertes Geviert, das vor dem Gebäude liegt. Die oberen Räume des Hauses geben dann den Blick auf das Gesamtkunstwerk frei.

Wer diese hohe Gartenkunst einmal weiterführen wird, ist noch unklar. „Meine Kinder interessieren sich nicht für den Garten“, sagt Wirth, 77, Präsident des französischen Nationalkomitees für Parks und Gärten.

Ein Kontrastprogramm dazu ist der zeitgenössische Jardin Intérieur à Ciel ouvert. Auf dem Gelände einer ehemaligen Mülldeponie südlich von Caen haben Benoît Delomez und seine Frau Dominique ein dicht bewachsenes Pflanzenparadies geschaffen und mit Kunstwerken versehen. Der Bildhauer musste 50 Lastkraftwagen Erde anliefern lassen. „Inzwischen haben wir allein 135 Sorten Farne und 30 Sorten Stechpalmen“, sagt Delomez. Eine Rambler-Rose schlängelt sich durch gigantische Bambusse. Überall fließt Wasser. Holzwege führen über verschiedene Ebenen zu einem transparenten Glaskubus, in dem sich die Besucher spiegeln. Ein akustisches Kunstwerk namens Racine, fängt das Geräusch des Wurzelwachsens aus der Erde ein.

„Ich mache keine Reisen mehr“, erzählt Annie Blanchais. „Meine Welt ist mein Garten.“ Die blonde Normannin mit freundlichem Gesicht und Erde unter den Fingernägeln zupft und schnippelt unentwegt, während sie durch das raffinierte Dickicht führt. Einzelne Garteninseln hat sie wie romantische Bühnenbilder inszeniert.

Die Tanzlehrerin legte um ihr Haus in Bagnoles-de-l‘Orne einen 2500 Quadratmeter großen Schattengarten mit Bäumen, Sträuchern, Hortensien und 80 verschiedenen Sorten Waldreben an. Eine ist nach der Tänzerin Josephine Baker benannt. Sie blüht in Rosa.

Die Gärtnerin hat in ihrer Stadt die „Fête des Plantes“ ins Leben gerufen. Zum Fest der Pflanzen blüht der Kurort auf. Die Besucher flanieren zwischen Blumentöpfen und Gartenkunst im Park des Rathauses. Im Schatten seltener Bäume trinken sie einen Cidre oder verspeisen eine Tarte Tatin. Was wäre die Normandie ohne ihre Apfelbäume?

Jean-Pierre Morby, 63, ist zwar kein Apfelbauer, zählt aber trotzdem 120 verschiedene Apfelsorten in seinem Jardin de la Ferme Ornée in Carrouges. Das Gartenformat der Zierfarm stammt aus dem England des 18. Jahrhunderts. Schönes sollte mit dem Nützlichen verbunden werden. Der Garten erinnert an ein Landgut, es gibt hier Pferde und Schafe. Gemeinsam mit seiner Frau Cecile hat der Übersetzer und Autor auf einem Acker einen 15 Hektar großen Garten angelegt – sieben Gartenräume voller Gehölze und Stauden. Madame kümmert sich um die Farben, Monsieur um die Struktur. Er liebt Bäume, vor allem Magnolien, 135 Sorten hegt er. „Wir gärtnern nachhaltig, ohne groß zu bewässern oder chemisch zu düngen“, sagt Morby.

Zu einer Tour durch die Gärten der Normandie gehört auch der Besuch adliger Besitzungen. Wie der Garten von Schloss Bizy. „Das ist unser kleines normannisches Versailles“, sagt Nicole Dutertre. Die Französin führt durch die herrschaftlichen Salons. Alles ist umweht von der Atmosphäre einer längst vergangenen Epoche. Die betagte Eigentümerin, Tochter des Herzogs von Albufera, wohnt selbst noch im Schloss.

Im 80 Hektar großen Park rinnt das Wasser über Stufen. Vereinzelt zieren märchenhafte Tierfiguren die Becken und wirken wie Fragmente aufwändiger barocker Wasserspiele.

Gemächlich geht es über Chausseen durch die normannische Landschaft von einem Garten zum anderen. Hektik ist anderswo. Besonders der Landschaftsgarten von Château d‘Acquigny im Departement Eure strahlt Ruhe aus. Mitten im Park steht ein stattliches Herrenhaus aus dem 18. Jahrhundert.

„In einem renovierungsbedürftigen Schloss zu leben, ist eher schwierig“, sagt jedoch Agnès d‘Esneval, deren Familie das Anwesen seit 1656 ihr Eigen nennt. Bei der Führung durch den englischen Landschaftspark blüht sie aber auf. Wie in einem Naturgemälde rauscht das Wasser über Kaskaden. Im Fluss spiegeln sich wundersam riesige Bäume. „Diese Platane ist rund 200 Jahre alt“, erklärt die Normannin. Dann führt sie zum historischen Kräutergarten, den eine Backsteinmauer schützt. Schiefertafeln im Beet erklären die Anwendungsgebiete der Heilkräuter, etwa gegen Stress und Nervosität.

 Herrschaftlich: Château d‘Acquigny im Departement Eure.

Herrschaftlich: Château d‘Acquigny im Departement Eure.

Foto: dpa-tmn/Daniela David
 ARCHIV - Zum Themendienst-Bericht von Daniela David vom 21. März 2019: Symmetrie geht über alles im Garten von Château de Brécy. Foto: Daniela David/dpa-tmn - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++

ARCHIV - Zum Themendienst-Bericht von Daniela David vom 21. März 2019: Symmetrie geht über alles im Garten von Château de Brécy. Foto: Daniela David/dpa-tmn - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++

Foto: dpa-tmn/Daniela David
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Foto: SZ/Müller, Astrid

Sollte man sich vorsichtshalber mit Melisse und Baldrian eindecken, um für den Besuch des berühmtesten Gartens der Normandie, den Claude Monets, gewappnet zu sein? In diesem fulminanten Malergarten tummeln sich allzu viele Besucher aus aller Welt. Nur der Besucher, der früh genug dran ist, kann sich vom Zauber dieses impressionistischen Zufluchtsorts ungestört betören lassen.

(dpa)
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