Frische Farbe für Clooneys Hotelzimmer

Antibes · Die Côte d'Azur im Südosten Frankreichs ist während der Sommermonate ein äußerst begehrtes Reiseziel von Prominenten. Das war nicht immer so. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Luxushotels entlang der Französischen Riviera nur im Winter geöffnet.

 Die Stadt Cannes mit ihrem Hafen ist in den Sommermonaten ein beliebtes Reiseziel. Foto: Palomba/ Atout France

Die Stadt Cannes mit ihrem Hafen ist in den Sommermonaten ein beliebtes Reiseziel. Foto: Palomba/ Atout France

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Diesmal steht er mit seinem Zehn-Liter-Farbeimer neben dem Bett von George Clooney. Vorher war er bei Leonardo di Caprio. Immer mit Rolle, Abstreifer und Pinsel. In weißer Malerkluft, statt im eleganten Service-Dress. Sein Kollege aus der Küchenkolonne klebt derweil die neue Tapete im Flur von Marlene Dietrichs einstigem Lieblingszimmer - und lässt sich von jemandem helfen, der so etwas hauptberuflich macht: Wenn das Hotel du Cap Eden Roc auf dem Cap d'Antibes alljährlich ab Mitte Oktober die Tore für ein gutes halbes Jahr geschlossen hat, beschäftigt Direktor Philippe Perd 70 Mitarbeiter weiter.

Kellner arbeiten plötzlich als Maler und Köche als Tapezierer. Es gibt genug zu tun in einem Haus vom Format eines Schlosses. Erst recht, wenn es an der See steht und Wind und Salz und ganz nebenbei auch die Sonne dem Anwesen zusetzen. Von der Nutzung durch die Gäste, von Premierenpartys während des Film-Festivals in Cannes und allerlei anderer Edel-Events im Sommer ganz zu schweigen. Im Winter offen zu halten, lohnt sich hier nicht - zu wenig Nachfrage bei denen jedenfalls, die genügend Geld haben, dem Sommer im Privatjet hinterherzureisen.

In St. Tropez zwei Autostunden weiter westlich ist es nicht anders: Das "Byblos", im Juli und August Epizentrum des Partylebens, ist noch geschlossen, das "Château de la Messardière" dicht, die noble "Villa Belrose" ebenso zu. Erst im April machen sie alle wieder auf. Urlaub ist hier noch immer ein Saisongeschäft - mehr als man ahnen mag.

Früher war das exakt andersherum: Luxushotels entlang der Französischen Riviera waren nur während des Winters geöffnet und blieben im Sommer geschlossen. Zwischen Mai und September schickte es sich für die feine Gesellschaft nicht, in den Süden zu fahren. Weil es zu heiß war, zu sonnig, man sogar Gefahr lief, braun zu werden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es stattdessen derart en vogue, den Winter an der Côte zu verbringen, dass der russische Großfürst Michail sich an der Finanzierung eines Hotel-Neubaus beteiligte: 1911 wurde das Carlton Hotel in Cannes eröffnet.

Es mussten 17 weitere Jahre vergehen, bis es 1930 erstmals auch im Sommer öffnete - und auch das nur aus einer gewissen Notsituation heraus. Bis dato arbeitete das Personal nach der üblichen saisonalen Schließung den Sommer über in den Badeorten Cabourg in der Normandie und Dinard in der Bretagne, um weiter Cocktails zu mixen, Zimmer zu reinigen und Liegestühle zurechtzurücken. Nachdem es dort aber 1930 über Wochen anhaltend heftig regnete, hakte man die Saison in Nordfrankreich ab, schloss Ende Juli die Häuser, versetzte das Personal vorzeitig zurück und buchte alle Gäste um, die das annehmen wollten: Am 5. August öffnete das Carlton erstmals im Sommer. Es war ein Riesenerfolg, der für die ganze Riviera die Umkehrung der bisherigen Verhältnisse mit sich brachte. Zum Ganzjahresziel wurde die Côte deshalb trotzdem nicht. Eher war nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit geraten, dass die Riviera als Winter-Destination galt.

Marianne Estène-Chauvins führt heute in vierter Generation das im Art Deco-Stil gehaltene Hotel Belles Rives, eröffnet 1929, auf dem westlichen Ansatz des Cap d'Antibes . Was sich seitdem geändert hat? "Nichts, was das Wetter, die Wassertemperaturen oder die Landschaft angeht", sagt sie. "Die Luft ist wie eh und je, das Licht so besonders wie immer. Geändert hat sich nur die Einstellung der Menschen, ihre Vorlieben haben sich gedreht."

Im Carlton gibt es derweil keine Ruhephase mehr. Das Hotel ist das Wahrzeichen von Cannes, vielleicht sogar dieser Küste und bleibt das ganze Jahr geöffnet - ebenso wie zahlreiche kleinere Häuser, die geschickt die Nische nutzen. Und Marianne Estène-Chauvin, die nur im Januar und Februar schließt? Hat sie eine Lieblingszeit? Wann ist es an der Französischen Riviera am schönsten? Sie überlegt nur kurz, spricht dann mit leiser Stimme, als verrate sie ein Geheimnis: "Die ersten zehn Juli-Tage. Es ist heiß, aber nicht zu heiß. Es ist Sommer, aber es ist noch nicht so voll an der Küste. Es ist die Zeit für Glücksgefühle. Es gibt ähnlich schöne Phasen im Februar und März, die plötzlichen, unerwarteten Frühlingstage im Winter ! Wenn es drei-, viermal hintereinander bereits zwanzig Grad warm ist - das sind großartige Momente. Aber sie sind nicht planbar. Sie sind ganz plötzlich da." Es sind die jene Tage, wegen derer der Winter an der Französischen Riviera einst die Hochsaison war.

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Auf einen BlickDie Côte d'Azur im Südosten Frankreichs ist seit dem 18. Jahrhundert ein beliebtes Urlaubsziel von Franzosen und ausländischen Touristen. Die Küste wird auch als Französische Riviera bezeichnet. Bekannte Städte an der Côte d'Azur sind unter anderem Cannes, Nizza und St. Tropez. red

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