Neue Flex-Tarife unter der Lupe Die bezahlte Freiheit, doch nicht zu reisen

Kehl · Mehr zahlen und ohne Stornogebühren den Urlaub absagen können, klingt gut: Verbraucher sollten aber genau hinsehen.

 Viele Strände sind leer: Mit Flextarifen wollen Reiseveranstalter zum Buchen von Reisen anregen.

Viele Strände sind leer: Mit Flextarifen wollen Reiseveranstalter zum Buchen von Reisen anregen.

Foto: dpa/Mar Granel Palou

Einen Pauschalurlaub buchen und hinterher auf Stornogebühren sitzen bleiben? Das ist in der Pandemie die Befürchtung vieler Menschen. Zahlreiche Veranstalter reagieren mit neuen Flex-Tarifen.

Was bieten die Veranstalter?

Bislang ist es meist so, dass gebuchte Reisen kurzfristig umgebucht oder storniert werden können. Diese Kulanzregelung wird nun bei vielen Veranstaltern abgelöst von neuen Tarifen. Das Prinzip ist folgendes: Wer für seinen Pauschalurlaub etwas mehr zahlt, darf ihn auch kurzfristig ohne die üblichen Stornierungsgebühren wieder absagen oder umbuchen. Flex-Tarif nennt sich das Angebot – wegen der Flexibilität, die Urlauber durch die Zahlung des Aufpreises bekommen. Die Preise und Konditionen unterscheiden sich je nach Veranstalter.

Was kostet das?

Bei Tui wird der Aufschlag pro Reise fällig. 39 Euro bei einem Preis bis 2500 Euro, 69 Euro bis 4000 Euro, 99 Euro bis 6000 Euro, 199 Euro bis 10 000 Euro, 399 Euro bis 20 000 Euro. Umbuchen oder Stornieren ist bis 14 Tage vor Abreise ohne weitere Kosten möglich. Auch DER Touristik rechnet den Aufpreis pro Reise ab. Bei einem Reisepreis bis 2000 Euro fallen 79 Euro an, 149 Euro sind es bis 4999 Euro und 199 Euro ab 5000 Euro. Umbuchbar oder stornierbar sind die Pauschalreisen ebenfalls bis 14 Tage vor Reiseantritt, bei Eigenanreise bis sieben Tage vorher. Das Angebot gilt ab 1. März und vorher bereits im Rahmen einer Kulanz.

Schauinsland Reisen rechnet pro voll zahlendem Urlauber ab, hier werden für den „Flex2Relax“-Tarif 29 Euro fällig. Der Urlaub kann bis 22 Tage vor Abreise ohne Gebühren umgebucht oder abgesagt werden. Veranstalter FTI nimmt als Aufschlag für den Flex-Tarif drei Prozent des Reisepreises und maximal 300 Euro. Damit lassen sich Pauschalreisen bis 15 Tage vor Reiseantritt kostenlos stornieren und bis 14 Tage vorher gebührenfrei umbuchen.

DER Touristik, FTI und Schauinsland Reisen behalten den Aufschlag ein, wenn der Kunde von der Storno-Option Gebrauch macht. Bei Tui bekommen Urlauber diesen zurück. Alltours hat als einziger größerer Veranstalter keinen Flex-Tarif, stattdessen gibt es ein zeitlich befristetes Angebot: Wer bis 28. Februar eine Reise bucht, die bis zum 31. Oktober beginnt, kann diese bis 14 Tage vorher kostenlos umbuchen oder stornieren.

Was ist an den Flex-Tarifen besonders?

Reisende kannten Tarife mit gestaffelten Umbuchungs- und Stornomöglichkeiten bisher nur von Fluggesellschaften oder Buchungswebseiten für Hotels und Unterkünfte. Bei Pauschalreisen ist diese Wahlfreiheit neu.

Können gebuchte Pauschalreisen wegen der Pandemie nicht ohnehin kostenlos abgesagt werden?

Nein, nicht grundsätzlich. „Es kommt immer auf die geplante Reise an und wie weit diese noch in der Zukunft liegt. Ich kann mich nicht auf die Pandemie allgemein beziehen“, erklärt Karolina Wojtal, Leiterin des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland in Kehl. Reiserechtlich lautet die Frage: Liegen am Urlaubsort unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände vor, die die Reise oder den Transport dorthin erheblich beeinträchtigen? Nur dann darf der Kunde die Reise kostenlos stornieren. Auf jeden Fall gilt das, wenn eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorliegt. Aber auch, wenn Urlauber wegen einer behördlichen Anordnung nicht das Hotel verlassen dürfen.

Liegt keine Reisewarnung vor, muss der Reisende darlegen, dass zum Zeitpunkt der Reise objektiv unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände vorliegen. „Die reine Angst, an Corona zu erkranken, ist nicht ausreichend. Auch nicht die Zugehörigkeit zu einer Corona-Risikogruppe“, erklärt Wojtal.

Sichern die flexiblen Tarife Reisende ab?

Hier müssen Urlauber genau hinschauen, ob das Angebot für die favorisierte Reise angeboten wird. Flex-Tarife gelten meist nicht für das gesamte Angebot eines Veranstalters, wie die Verbraucherzentrale Brandenburg erklärt. Pauschalpakete auf Basis von dynamischen, tagesaktuellen Preisen sind in der Regel ausgeschlossen. „Man kommt nicht drumherum, sich in die AGB zu vertiefen“, erklärt Karolina Wojtal. „Im Zweifel sollte man sich die Konditionen noch einmal schriftlich zusichern lassen“, rät die Expertin.

Und es gibt noch ein Risiko: Sofern der Veranstalter eine Anzahlung kassiert, müssen sich Kunden mit gebuchtem Flex-Tarif eventuell trotzdem gedulden, bis sie das Geld zurückbekommen. Denn auch bei den Angeboten mit Stornierungsmöglichkeit muss laut Verbraucherzentrale Brandenburg ein Teil der Reisekosten angezahlt werden, und bis spätestens vier Wochen vor Abreise muss der Preis vollständig gezahlt sein.

Zwar besteht bei Pauschalreisen ein gesetzlicher Anspruch auf die Rückzahlung binnen 14 Tagen. Eine Sicherheit, dass der Veranstalter das Geld schnell zurückzahlt, haben Verbraucher aber nicht, erklärt die Verbraucherzentrale Brandenburg.

Wie lange werden die Flex-Tarife angeboten?

Das ist unterschiedlich. Tui zum Beispiel will das Modell fortführen. Bei DER Touristik gilt es für Neubuchungen mit einem Abreisetermin bis 31. Oktober. Reisende sollten wiederum genau hinschauen, welche Fristen gelten.

Und wie sieht es mit Individualreisenden aus?

Diese Urlauber sind in der Pandemie erst recht gut beraten, auf Stornooptionen zu achten – gerade bei der Buchung von Unterkünften. Viele der derzeit gebuchten Flüge lassen sich kostenlos umbuchen. Hier kommt es auf die Bedingungen der Fluggesellschaften an. Sagt eine Fluglinie von sich aus einen Flug ab, muss sie das Geld erstatten oder den Gast kostenlos auf eine alternative Verbindung umbuchen.

(dpa)
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