Von Landgewinnung bis Welthandel Ein Land will mehr vom Meer

Enkhuizen · Ein Besuch in in der Kleinstadt Enkhuizen verschafft Touristen viele Einblicke in die große Geschichte der Niederlande.

 Im Zuiderzeemuseum können Besucher die Geschichte der Region um das IJsselmeer hautnah erleben.

Im Zuiderzeemuseum können Besucher die Geschichte der Region um das IJsselmeer hautnah erleben.

Foto: NBTC

Natürlich sind es Tulpen und Käse, die sofort an Holland denken lassen, auch ohne die eingestaubte Schlagerschnulze aus den 1950ern oder die Holzschuh tragende Frau Antje aus der Fernsehwerbung. Das erfolgreichste Aushängeschild unseres Nachbarn dürfte aber das Wasser sein. Jahr für Jahr lockt es jede Menge ausländische Touristen ins Land, die im Hausboot über Flüsse und Kanäle schippern, mit dem Segelschiff durchs IJsselmeer kreuzen oder an der Nordseeküste ihr Badetuch im Sand von Festland und Inseln postieren.

Das kleine westeuropäische Land, dessen Fläche zu einem Viertel unter dem Meeresspiegel liegt, lebt und lebte vom Wasser. Bereits vor Jahrhunderten bewiesen die Niederländer ihr Talent als Schiffsbauer, Seefahrer und Kaufleute – eine Kombination, die dort ein goldenes Zeitalter heraufbeschwor und Holland neben immensem Reichtum den Ruf der bedeutendsten Handelsnation weltweit eintrug. Und noch immer profitiert die Wirtschaft des Landes von der Lage an der Nordsee. Rotterdam als Europas größter Seehafen ist ein Beweis dafür. Aber das Meer vor der Tür bedeutet auch Gefahr, denn nicht nur einmal wurden Mensch und Tier in der Vergangenheit Opfer verheerender Überschwemmungen.

So machten sich die Niederländer schon früh daran, mit einem System aus Deichen, Wehren und Kanälen nicht nur Land und Leben zu schützen, sondern im Rahmen immer kühner werdender Landgewinnungsmaßnahmen auch Meeresboden trockenzulegen. Vorhaben, die in der Gegenwart nach Jahrhunderten wachsender technischer Kentnisse in gigantischen Wasserbauprojekten gipfelten. Solchen wie der Eindeichung der Zuiderzee, die neben dem Gewinn von Neulandflächen in Rekordmaßen die Geburtsstunde des IJsselmeers einläutete.

Dieses heißt nur „Meer“ und sieht durchaus auch wie eines aus, ist aber keins. Als man in den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts dem gewaltigen, weit ins Land ragenden Arm der Zuiderzee mit dem 30 Kilometer langen Abschlussdeich den Zugang zur Nordsee abschnitt. So wurde aus einem Stück Meer, flankiert von flachen Poldern und gespeist mit dem Flusswasser der IJssel, der größte See der Niederlande. Wassersportler genießen heute Wind und Wellen auf dem geschützten Revier und mischen sich gern unter diejenigen Touristen, die lieber auf dem Trockenen bleiben und ihre Zeit in den hübschen Städtchen rund ums IJsselmeer verbringen. Enkhuizen ist eines davon – genau dort gelegen, wo seit 1976 ein Binnendeich zum gegenüberliegenden Ufer führt und das über 1100 Quadratkilometer große IJsselmeer vom kleineren Markermeer trennt.

Enkhuizen ist ein Ort mit Geschichte. Hier wurden schon im Mittelalter im großen Stil Heringe gefangen. Und für einige Jahrzehnte im 17. Jahrhundert erlebte die Stadt die Segnungen des sogenannten Goldenen Zeitalters. Damals war Enkhuizen Mitglied und wichtiger „Stützpunkt“ der Vereinigten Ostindischen Kompanie, deren Schiffe beladen mit Gewürzen, Tee und anderen Kostbarkeiten aus Indien, China oder Indonesien über die Meere segelten.

Vom Bahnhof bringen Fußweg und Museumsfähre Urlauber in wenigen Minuten in Enkhuizens bekanntes Zuiderzeemuseum, das nicht nur die Erfolgsstory dieses ersten Aktienunternehmens erzählt, sondern das Leben und Leiden der Menschen in der Region mit historischen Gebäuden, Trachten oder einer stattlichen Zahl betagter Holzschiffe lebendig macht.

 Amsterdam in den Niederlanden

Amsterdam in den Niederlanden

Foto: SZ/Müller, Astrid

Der Bahnhof ist aber auch guter Ausgangspunkt für eine Runde durch den Ort. Man spaziert vorbei am Außenhafen, in dessen stillem Becken eine ganze Reihe romantischer Hausboote das Bild einer perfekten Kleinstadtidylle entwerfen. Das Gleiche ein paar Schritte weiter, wo die zahlreichen Fenster gepflegter Bauten ihren Blick auf das Mastenmeer des Binnenhafens richten. Hier wie anderswo erahnt man noch immer den einstigen Wohlstand des Städtchens, das seinen Besuchern wie ein Schmuckstück aus rot-braunem Backstein erscheinen mag. Besonders schön: die Westerstraat, eine malerische Fußgängerzone, deren Pflaster kleine, oft windschiefe Häuser, teils mit geschwungenen oder getreppten Giebeln, hofieren. Und in deren unteren Etagen Wirte, Bäcker und Juweliere, Souvenir-, Spirituosen- und Buchhändler ihre Dienste anbieten. Ebenso wie ein Käseladen, hinter dessen Verkaufstheke sich auf Regalen unzählige duftende Käselaibe stapeln.

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