Reisebericht Eine Stadt zwischen Mittelalter und Renaissance

Troyes · Bunte Fachwerkhäuser und zahlreiche Kirchen und Museen machen das französische Troyes zu einer Stadt der Kunst und Geschichte.

 Im 16. Jahrhundert brannte ein Drittel der französischen Stadt Troyes nieder. Die Fachwerkhäuser wurden originalgetreu wieder aufgebaut und gelten heute als das Wahrzeichen der Stadt.

Im 16. Jahrhundert brannte ein Drittel der französischen Stadt Troyes nieder. Die Fachwerkhäuser wurden originalgetreu wieder aufgebaut und gelten heute als das Wahrzeichen der Stadt.

Foto: D. Le Nevé/Aube en Champagne Tourisme

Hat man so etwas schon mal gesehen? Ein Ort, der in Frankreichs berühmter Region der Champagne liegt und dessen Altstadtgrenzen exakt die Form eines Champagnerkorkens nachzeichnen? Das kann eigentlich nur Zufall sein. Denn die Rezeptur zur Herstellung des edlen Schaumweins wurde erst im späten 17. Jahrhundert erfunden, und Troyes’ mittelalterliche Architekten besaßen sicher kein hellseherisches Talent, als sie die bereits in der Antike bestehende Stadt in ihrem Baueifer peu à peu veränderten.

Es war die prosperierende Zeit ab dem 12. Jahrhundert, in der neue Bauten wie der Grafenpalast oder neue Straßen entstanden, und in der das Flussbett der Seine für den Bau einer Festungsmauer verlegt wurde, was Troyes seine unnachahmliche Silhouette bescherte. Statt der wehrhaften Mauer mit ihren Türmen und Toren umfließen heute breite Boulevards den alten Stadtkern, der von der langen, bewegten Geschichte Troyes’ nicht unberührt blieb.

Angekommen in der Gegenwart, schaut die Stadt einer freundlichen Zukunft entgegen. Die Spuren der Verwahrlosung der Nachkriegsjahre sind verschwunden, und die aufwändige, Mitte der 1960er Jahre begonnene Restaurierung hat Schritt für Schritt einer verblassten Schönheit ihren alten Glanz zurückgebracht.

Ein guter Startpunkt für eine Runde durch die neu erstrahlte Stadt ist der Place Alexandre Israël, der das Rathaus im Stil Ludwigs XIII. seine prächtige Fassade zuwendet. Von dem weiten Platz, der exponiert im Stopfen des Champagnerkorkens, dem einstigen Viertel der Händler und Handwerker, liegt, führt die Rue Champeaux mitten hinein in das Gassengewirr rund um eines der ältesten Gotteshäuser in ganz Troyes.

Wie Saint-Jean-au-Marché blieben auch die Behausungen in der Nachbarschaft nicht verschont von den Verwüstungen der Feuersbrunst, die 1524 ein Drittel der Stadt in Schutt und Asche legte. Und wie die Kirche selbst wurden auch die allgegenwärtigen Fachwerkhäuser aus dem Eichenholz der Umgebung originalgetreu wieder aufgebaut, während sich die betuchtere Bourgeoisie Palais’ aus Stein leistete.

So eint Troyes’ Antlitz das architektonische Erbe zweier Epochen – Mittelalter und Renaissance – als Sinnbild des „schönen 16. Jahrhunderts“. Einer Ära, in der die Stadt zu einem Zentrum der Kunst avancierte. Beispiele dieser Zeit aus Malerei, Bildhauerkunst und Glasmalerei können in Troyes’ Museen und Kirchen bewundert werden. Etwa in Sainte-Madeleine, deren schlichtes Inneres unter anderem durch die Kunstfertigkeit der Chorfenster überstrahlt wird.

Nur ein paar Schritte weiter ist die stille Zurückgezogenheit der Magdalenenkirche schnell vergessen. Touristen schlendern über das Pflaster der Nachbarstraßen, von denen die Ruelle des Chats die berühmteste ist. Denn in der Katzengasse rücken sich die einander gegenüber liegenden Häuser so dicht auf die Pelle, dass eine Katze spielend von einem Dach aufs andere springen kann. Hier wie anderswo im Viertel begleitet natürlich Fachwerk die Gassen: in Naturtönen gehalten oder auch mal kunterbunt und dabei immer etwas schief, herrlich unvollkommen und unglaublich charmant.

Den Fremden bieten sich in dieser Gegend viele Gelegenheiten zum Einkehren und Einkaufen, wobei mit Champagner, Cidre oder Chaource, dem Weichkäse aus Kuhmilch, Spezialitäten aus der Region in Magen und Reisegepäck landen. Und nicht zu vergessen die einmaligen Pralinés, Macarons und Biscuits, die es beim mehrfach ausgezeichneten Chocolatier und Pâtissier Pascal Caffet im Maison Caffet, der Schokoladenmanufaktur in der Rue de la Monnaie, gibt.

Es wird Zeit, auch dem vom Wasser der Seine umschlungenen Kopf des Champagnerkorkens, der Cité, einst Zuhause von Adel und Bischof, einen Besuch abzustatten. Und seiner Kathedrale, einem sehenswerten Beispiel gotischer Architektur mit einmaligen Glasmalereien aus drei Jahrhunderten.

Reisebericht: Eine Stadt zwischen Mittelalter und Renaissance
Foto: SZ/Müller, Astrid

Doch zunächst bringt uns ein kleiner Umweg noch zum Cœur de Troyes, einem tonnenschweren Kunstwerk in Form eines silbernen Herzens, in dessen Gesellschaft sich sehr romantisch am Lauf des Kanals eine Atempause einlegen lässt.

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