Ein Hauch von Hollywood in Spanien

Almería · Wo Andalusien den Wilden Westen doubelt: Rund um die Wüste von Tabernas entstanden rund 200 Kino-Filme.

 Cowboys auf wilden Pferden prägen das Bild der Kulissenstadt Fort Bravo in der andalusischen Provinz Almería. Weltbekannte Regisseure wie Sergio Leone und Steven Spielberg produzierten hier mehrere Western, darunter auch „Spiel mir das Lied vom Tod“. Zweimal am Tag zeigen Stuntmen, wie sich Besucher einen Filmdreh vorstellen können. Foto: Fort Bravo

Cowboys auf wilden Pferden prägen das Bild der Kulissenstadt Fort Bravo in der andalusischen Provinz Almería. Weltbekannte Regisseure wie Sergio Leone und Steven Spielberg produzierten hier mehrere Western, darunter auch „Spiel mir das Lied vom Tod“. Zweimal am Tag zeigen Stuntmen, wie sich Besucher einen Filmdreh vorstellen können. Foto: Fort Bravo

Foto: Fort Bravo

Die meisten Cowboys sind lange weg, die hektischen Menschen mit Kameras und Scheinwerfern längst wieder nach Übersee abgereist. Bloß drei Pferde sind diesen Vormittag noch vor dem Büro des Sheriffs festgebunden, zwei Cowboys in viel zu langen Lederjacken harken mit knallroten Zinken ihrer Plastikrechen den Pferdemist zusammen. Einer stolpert dabei, flucht auf Spanisch und schlurft anschließend in den Saloon mit der frisch gestrichenen Holzfront und der Schwingtür.

Ein paar Minuten später fährt das erste Mal an diesem Tag die Postkutsche durchs Bild: auf Rundfahrt mit ein paar jubelnden Kindern an Bord. Es muss bessere Zeiten für Cowboys gegeben haben. Sogar in Andalusien. Auch die Indianer scheinen fortgezogen - aber auf Zuruf kehren sie zurück, sobald sich wieder Besuch aus Hollywood ankündigt, irgendwer "Klappe und Action!" ruft und ein Handgeld an die Statisten aus der Umgebung auszahlt. Wie damals, als die ganz Großen regelmäßig hier waren und die Kameras fast im Dauerbetrieb surrten: Henry Fonda zum Beispiel, Steve McQueen und Yul Brunner. Ihre Fotos hängen im Salon, manche haben sie bei ihrem letzten Besuch signiert.

Wenn gerade kein Kino-Film in der wüstenhaften Landschaft der andalusischen Provinz Almería gedreht wird, dann steht Fort Bravo Urlaubern offen - als eine von drei Kulissenstädten in der Region um Tabernas, alle mit großer Hollywood-Karriere. Deshalb hat der Saloon geöffnet, deshalb gibt es inzwischen zwei Mal am Tag eine Stunt-Show. Und deshalb hat irgendwer ein einziges modernes Gebäude an den Rand der Szenerie bauen und dort einen Geldautomaten installieren lassen.

Die Landschaft hier doubelt Arizona, New Mexico, Nevada, Kalifornien perfekt: den Wilden Westen der USA. Die Häuschen von Fort Bravo aus Holz, Farbe und ein bisschen Pappmaché sind bloß das i-Tüpfelchen. "Die Glorreichen Sieben" wurde hier ebenso gedreht wie "Spiel mir das Lied vom Tod". Später waren es "Die Daltons gegen Lucky Luke" - und zwischendrin Italo-Western mit Terence Hill und Bud Spencer, zuletzt Bully Herbigs Western-Parodie "Der Schuh des Manitu".

Das nordöstliche Andalusien ist karg, wüstenhaft sogar, gebirgig, von Canyons durchzogen, mit Kakteen gespickt. Windräder thronen immer wieder auf Türmen aus Holz oder Metall in den Tälern, helfen Wasser aus Tiefbrunnen hinaufzubefördern, um ein paar Pferden etwas zu trinken bieten zu können oder ein paar Bäumchen und einen Garten zu bewässern. Die Steinhäuser sind flach, oft nur eingeschossig - und manches sieht gerade hier draußen nach Improvisation aus. Die Kulisse jedenfalls passt ohne viel Zutun für all das, was Regisseur Sergio Leone und seine Zunftkollegen drehen wollten. Es passt alles noch immer haargenau so ins Bild wie in den 1960er und 70er Jahren. Nur haben Western gerade keine Hochkonjunktur mehr. Irgendwann kam ersatzweise Steven Spielberg und produzierte hier mit Sean Connery und Harrison Ford "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug". Und das passte ebenfalls sehr gut.

Mancher der Filmleute kommt seitdem privat wieder hierher: einfach auf Urlaub, weil er sich nebenbei in das Double des Wilden Westens verliebt hat, in die herzhafte andalusische Küche, das Licht, die Luft, die viele Sonne. Nachts ist es so still, dass man sogar das Knistern der alten Glühlampenfäden in der Beleuchtung hört, so finster vielerorts, dass das Milchstraßenband um so Vieles klarer als anderswo zu sehen ist - so prachtvoll, so unglaubwürdig schön, so nah sogar, dass man glaubt, man müsste nur aus dem Schaukelstuhl aufstehen und könnte die Sterne einzeln vom Himmel sammeln und nach Gutdünken woanders hinkleben. Stimmen nach Einbruch der Dunkelheit sind nicht mehr zu hören, Fahrgeräusche von Autos nur selten von irgendwo in der Ferne hinter den Kaktushecken. Dörfer haben Seltenheitswert, die Großstädte sind weit weg: Córdoba 320, Sevilla sogar 390, die Provinzhauptstadt Almería immerhin 30 Kilometer. In den ersten Monaten des Jahres trägt der Wilde Westen hier regelmäßig einen zarten Grünschleier, einen flaumweichen Film aus Frühling. Ab Mitte Mai, spätestens, ist hier wieder Wüste. Dabei hat die Region den Canyonlandschaften der USA eines voraus, ein unglaubliches Plus: das Meer. Keine Dreiviertelstunde ist es mit dem Auto vom Arbeitsplatz der Kulissen-Cowboys entfernt. Mit Stränden zwischen Steilküsten und Buchten, von denen manche bis heute nur über Pisten zu erreichen sind.

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 Der Saloon in der Westernstadt Fort Bravo war die Kulisse vieler bekannter Hollywood-Filme aus den 1960er und 70er Jahren. Foto: fort bravo

Der Saloon in der Westernstadt Fort Bravo war die Kulisse vieler bekannter Hollywood-Filme aus den 1960er und 70er Jahren. Foto: fort bravo

Foto: fort bravo

Sergio Leones Lieblingsdrehort Die Kulissenstadt Fort Bravo ( www.fortbravooficial.com ) ist täglich von neun bis mindestens 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet rund 20 Euro, für die Kinder die Hälfte. Nähere Informationen zu den anderen beiden Westernstädten bei Tabernas gibt es auf den Internetseiten: www.oasysparquetematico.com www.western-leone.es .

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