Ein bestrickendes Urlaubsziel

Lerwick · Auf den Shetland-Inseln begegnen Touristen vielen Naturschönheiten. Die Region glänzt aber auch mit ihren Handarbeiten.

 Bei gutem Wetter laden die malerischen Küstenregionen der Shetland-Inseln zu ausgiebigen Spaziergängen ein. Dabei gibt es viel zu entdecken.Foto: Paul Tomkins/VisitScotland/dpa

Bei gutem Wetter laden die malerischen Küstenregionen der Shetland-Inseln zu ausgiebigen Spaziergängen ein. Dabei gibt es viel zu entdecken.Foto: Paul Tomkins/VisitScotland/dpa

Foto: Paul Tomkins/VisitScotland/dpa

Julia Downing ist ein bisschen genervt. "Überall liegt Garn herum", sagt die zierliche Frau mit den kurzen weißen Haaren. Im Wohnzimmer stehen zwei Spinnräder, in der Ecke steht ein Webstuhl, den sie zusammenklappen und mit auf Reisen nehmen kann. In dem, was mal das Büro ihres Mannes war, befindet sich ein weiterer Webstuhl, der fast den ganzen Raum einnimmt. Diese Maschine ist besonders: Sie kann ganz feine Garne verarbeiten und komplizierte Muster anfertigen, die sich per Computer programmieren lassen. Theoretisch. "Dann ist es aber keine Handarbeit mehr", sagt Downing. Und die ist ihr wichtig. Die ehemalige Krankenschwester und ihr Mann Steve, beide mittlerweile in Rente, haben in Scousburgh im Südwesten der Shetland-Inseln ein Haus gebaut. Riesige Fenster ermöglichen den Blick auf das Meer und einen See, den Spiggie Loch.

Die Shetlands liegen abgelegen auf halbem Weg zwischen Schottland und Norwegen. Touristen kommen meist per Kreuzfahrtschiff auf dem Mainland an, der größten der Shetland-Inseln. Sie bleiben im Hauptort der Insel, dem Städchen Lerwick, oder erkunden die zahllosen Schätze der rauen Insel - und kaufen zum Beispiel Stricksouvenirs.

Aus der Handarbeit von Julia Downing sollte eigentlich kein Geschäft werden. Früher habe sie ihren Kindern alle Kleider genäht, auch gestrickt hat sie. "Stricken war nicht meine große Liebe." Dafür aber schon immer das Weben. Downing färbt inzwischen sogar die Wolle selbst, nach Möglichkeit mit natürlichen Stoffen. Nur für die kräftigen Farben braucht es manchmal Chemikalien.

Garry Jamieson aus dem norwegischen Sandness ist durch seinen Vater auf die Inseln und ins Textilgewerbe gekommen. 40 Tonnen Felle verarbeitet er jedes Jahr. Damit ist er im Vergleich zu den großen Gerbereien in Schottland oder England ein kleines Licht. Auf den Shetlands hat er dennoch mehr als genug zu tun. "Die Menschen hier stricken vor allem die traditionellen Fair-Isle-Muster", sagt Jamieson. Diese bestehen hauptsächlich aus kleinen bunten Kreuzen und Kreisen.

In der Lagerhalle stehen die riesigen Kartons mit fertigem Garn fein säuberlich aufgereiht in Regalen, im hinteren Eck weben die Maschinen robusten Tweedstoff. Dazwischen stehen riesige Säcke mit gefärbten Fellen, die erst noch zu Garnen verarbeitet werden müssen. Das geschieht eine Halle weiter. Dort wird die rohe Wolle gewaschen und schließlich maschinell gesponnen. In einem kleinen Raum stehen einige Strickmaschinen, denen ein Computer die Muster für Pullover, Westen, Schals und Pullunder vorgibt. Die Mitarbeiter kümmern sich um die feinen Details, die eine Maschine nicht hinbekommt.

"Die kratzige Shetlandwolle ist nicht jedermanns Sache", sagt Mary Macgregor, die ein paar Meilen weiter in Dale of Walls ein kleines Geschäft betreibt. Die studierte Mathematikerin ist seit langem von den Mustern fasziniert, die traditionell von der kleinen Insel Fair Isle südlich von Shetland kommen. Sie hat Museen besucht, sich die Muster eingeprägt und anschließend selbst gestrickt.

Massentourismus gibt es auf den Inseln nicht. "Hierher kommt niemand aus Versehen", sagt Steve Matieson, der Chef-Touristiker der Insel. Man muss sich für das interessieren, was die Shetlands zu bieten haben: Die Tierwelt, die archäologischen und geologischen Schätze oder eben die handgemachten Kunstwerke.

Unter den Besuchern sind viele Hobby-Fotografen. Sie besichtigen meist die zahlreichen Vogelkolonien, etwa auf dem Inselchen Moussa. Oder den Leuchtturm am Sumburgh Head, um die Unmengen von Papageientauchern vor die Linse zu bekommen, die im Frühjahr geschäftig ihre Nester in den kleinen Felslöchern der Abhänge bauen. In den vielen kleineren und größeren Buchten der Inselgruppe können Reisende mit etwas Glück sogar Robben beo-bachten, die sich in der Sonne aalen. Und wer ganz viel Glück hat und zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, kann Wale sehen, die durch den kalten Atlantik ziehen.

Doch auch an Land gibt es viel zu entdecken. Besonders im Frühjahr ist der Nachwuchs der Schafe und Shetland-Ponys auf den Wiesen unterwegs. Carol Laignel züchtet in Dunrossness Mini-Shetlands. Die sind kaum größer als ein Erstklässler und besonders für Kinder geeignet, die das Reiten lernen wollen. "Die Tiere haben sich an die karge Umgebung und die Stürme hier angepasst", sagt Laignel. Wie die Islandponys haben auch die Shetties Unmengen langer Haare und ein dichtes Fell. Geschoren werden aber nur die Schafe. So bekommen die Weber auch wieder neues Material für ihre Kunstwerke.

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 Die auf den Shetlands beheimateten Ponys wurden im Zuge der industriellen Revolution auf dem britischen Festland angesiedelt. Foto: dpa

Die auf den Shetlands beheimateten Ponys wurden im Zuge der industriellen Revolution auf dem britischen Festland angesiedelt. Foto: dpa

Foto: dpa

Urlaub auf den Shetland-Inseln Die Shetlands zwischen Schottland und Norwegen bestehen aus rund 100 Inseln, 15 davon sind bewohnt. Die Unterkünfte sind eher einfach und praktisch. Ein Fünf-Sterne-Hotel werden Reisende nicht finden, viele Bed-and-Breakfasts bieten dafür Familienanschluss und Tipps für Ausflüge in der Umgebung. www.shetland.org

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