Dresden statt Dallas

Berlin · Dass die Deutschen gern reisen, ist kein Geheimnis. Im Trend liegen momentan allerdings nicht exotische Ziele, sondern der Urlaub im eigenen Land. Auch das Thema Kultur spielt eine große Rolle.

Deutschland liegt als Reiseziel im Trend: Seit Jahren steht hinter den Gästezahlen konstant ein Plus. 2014 zählte das Statistische Bundesamt 424 Millionen Übernachtungen - drei Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahr. Und das Volumen ist eigentlich noch höher, erklärt Claudia Gilles vom Deutschen Tourismusverband (DTV). Denn in die Übernachtungsstatistik fließen keine Reisen zu Verwandten oder Urlaube im Ferienhaus ein.

Das Besondere: Für die hohe Zahl an Übernachtungen in Deutschland sorgen vor allem die Bundesbürger selbst. So gehen von den 424 Millionen Übernachtungen 82 Prozent auf das Konto inländischer Gäste, erzählt Gilles. Damit sei Deutschland in Europa eines der Länder mit dem höchsten Anteil an inländischen Gästen.

"Zwei Drittel aller Deutschen macht im eigenen Land Urlaub", fasst Martin Katz, Vorsitzender im Ausschuss Deutschlandtourismus und deutschsprachige Länder beim Deutschen Reiseverband (DRV), zusammen. Die GfK Marktforschung zählt bei den Inlandsurlauben im vergangenen Jahr sogar ein Plus von 9,9 Prozent. Katz hat dafür eine einfache Erklärung: "Mehr und mehr wird auch Deutschlandurlaub als wertig erachtet." Heute könne man sich - anders als in früheren Jahren - mit dem Urlaub in der Heimat sehen lassen. "Das Image der Deutschlandreise hat sich ganz eindeutig verbessert." Teilweise gelte Urlaub in der Bundesrepublik als angesagt.

In die Hände spielt dem Deutschlandtourismus auch, dass es bei Auslandsreisen eine gewisse Sättigung gibt, erzählt Katz. Es sei einfach nicht mehr so exotisch, eine Auslandsreise zu machen. Dank der Billigfluglinien können nun auch weniger gut betuchte Menschen in den Ferienflieger steigen.

Zudem machen deutsche Touristen mittlerweile mehr Urlaub als je zuvor und stückeln ihn mehr. Diese Aufteilung des Zeitbudgets stärkt den Tourismus in Deutschland ebenfalls. Hinzu kommt die demographische Entwicklung. Gilles: "Je älter man wird, desto eher beschränkt man den Aktionsradius." In der Rangliste der Ziele gibt es je nach Statistik unterschiedliche Ergebnisse. Werden nur die Übernachtungen gezählt, liegt Bayern stets an der Spitze. 2014 gab es hier 85 Millionen in- und ausländische Gäste, erzählt Gilles. Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen folgen mit jeweils knapp 50 Millionen Übernachtungen auf Platz zwei und drei.

Ein bisschen anders sieht das Ranking aber aus, schaut man sich die Urlaube an, also Reisen ab fünf Tagen: Hier gewann im vergangenen Jahr Mecklenburg-Vorpommern, berichtet die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR). Es folgen Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Generell liegen die Küstenregionen gegenüber Land- und Bergzielen im Vorteil, heißt es in der aktuellen Reiseanalyse der FUR.

Wichtig ist Katz zufolge das gute Preis-Leistungsverhältnis. Wer sich die Städte-Destinationen ansieht, kann das schnell nachvollziehen: In London, Paris oder Moskau bezahlt man fürs Hotel weit mehr, als etwa in Berlin . Gut gebucht werden auch Wellness- und Gesundheitsurlaub und die Aktivreise. Besonderen Stellenwert hat das Thema Kultur: "Da ist Deutschland sicher auf den Spitzenplätzen", sagt Katz. Die Vielfalt, etwa bei Musik oder Architektur, macht den Urlaub daheim beliebt. Das Thema Kultur scheint sogar eine solche Anziehung zu haben, dass auch negative Schlagzeilen manch beliebten Zielen nichts anhaben können: Stichwort Dresden . Die Pegida-Demonstrationen haben die Übernachtungszahlen Ende vergangenen Jahres nicht sinken lassen, erzählt Gilles. Die touristische Attraktivität der Stadt sei unbestritten.

Was die Zukunft angeht, geben sich die Experten in Sachen Deutschland-Tourismus typisch deutsch bodenständig. Die jüngste größere Veränderung habe es durch die Entwicklung des Fernbusmarkts gegeben. "Aber dass plötzlich die Uckermark Bayern verdrängt, das gibt es nicht und wird es nicht geben", sagt Gilles.

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