Wasserversorgung aus den Stollen Das technische Wunderwerk Schlesiens

Tarnowskie GÓry · Seit 2017 gehört die Silbergrube von Tarnowskie Góry zum Unesco-Welterbe. Besucher können einen Teil der Mine besichtigen.

  Auf dem Gelände der Silbermine Tarnowskie Górys stehen noch heute historische Förderanlagen.

Auf dem Gelände der Silbermine Tarnowskie Górys stehen noch heute historische Förderanlagen.

Foto: Sebastian Romankiewicz/Zabytkowa Kopalnia Srebra/Sebastian Romankiewicz

Am Anfang der Geschichte um das Unesco-Welterbe im polnischen Tarnowskie Góry (zu deutsch: Tarnowitz) steht eine Legende. Dieser zufolge fand der Bauer Jan Rybka im Jahre 1490 beim Pflügen einen silbrig schimmernden Gesteinsbrocken. Was genau für ein Brocken es war, ist nicht überliefert. Aber wahrscheinlich handelte es sich um Galenit oder Bleiglanz, aus dem Blei und Silber gewonnen werden können. Der Legende nach hat dieser Fund einen wahren Silber-Rausch in der schlesischen Gegend ausgelöst. 

Schon wenige Jahre später hatte sich in Tarnowskie Góry ein geschäftiger Silberbergbau entwickelt. Erst über Tage mit vielen kleinen Abbau-Gruben, so genannten Pingen, später in tieferen Stollen. Die Hoffnung auf Reichtum zog viele Abenteurer ins schlesische Land. Aus allen umliegenden Regionen kamen Arbeiter, die in den Gruben nach Silber suchten.

Dass Oberschlesien zu einem Schmelztigel der Kulturen wurde, zeigt unter anderem die 1528 von Herzog Jan und Markgraf Georg erlassene Bergordnung. Sie legt fest, dass der Bürgermeister und die Stadträte in drei Sprachen sprechen sollten: Polnisch, Tschechisch und Deutsch. Aus Deutschland waren unter anderem zahlreiche Steiger in die Gegend rund um das nahe Beuthen, das heutige Bytom, gekommen. Sie brachten aus Sachsen bergmännisches Wissen mit.

Silberbergwerke gab es in dieser Zeit mehrere. Was die Friedrichsgrube in Tarnowskie Góry ausmachte, war ihre ausgefeilte Wasserhaltung. Denn Grundwasser wird im Bergbau schnell zu einem Problem. Anfangs waren in der Grube Pferde im Einsatz, um die Pumpen zu treiben. Doch sie waren schon aufgrund der hohen Haferpreise schnell zu teuer. 1787 begann der Import von Dampfmaschinen, die zudem von den eigenen Ingenieuren nachgebaut wurden. Künftig sorgte die Technik für Entwässerung.

Doch Wasser blieb ein Problem. Einerseits war der Betrieb mehrerer Dampfmaschinen sehr teuer, andererseits litten nun auch die Städte durch den absinkenden Grundwasserspiegel unter Wassernot. Da das Wasser aus den Silbergruben trinkbar war, entwickelte die Bergwerksleitung über die Zeit ein komplexes unterirdisches Versorgungssystem. Die Grubenstollen wurden so angelegt, dass Grundwasser über künstlich geschaffene unterirdische Flüsse zu zentralen Wasserreservoirs fließen konnte. Von dort aus wurde es an die Oberfläche gepumpt und wiederum über ein Leitungssystem in eine Versorgungsanlage für die umliegenden Ortschaften eingespeist.

„Ein ähnlich ausgefeiltes System der Wasserhaltung gab es sonst nirgendwo“, sagt Gregory Rudnicki, der für das Bergwerks-Museum arbeitet und den Unesco-Antrag mit ausgearbeitet hat. „Unter anderem hatte die Grube von Tarnowskie weltweit die einzige Dampfmaschine, die nicht an der Oberfläche, sondern unter Tage montiert war“, sagt er.

Heute können Interessierte im Besucherbergwerk zumindest einen kleinen Teil der insgesamt 150 Kilometer langen Stollen besichtigen. Die touristische Strecke ist knapp zwei Kilometer lang, 270 Meter werden per Boot zurückgelegt. Eindrucksvoll ist in Beispielstollen zu sehen, unter welchen Bedingungen und körperlichen Schwierigkeiten die Arbeit dort vonstatten ging.

 Tarnowski Gory in Polen

Tarnowski Gory in Polen

Foto: SZ/Müller, Astrid

Das Unesco-Welterbe umfasst allerdings nicht nur das eigentliche Silberbergwerk, sondern zahlreiche weitere Plätze rund um die Grube. Zu empfehlen ist ebenfalls ein Besuch der „Schwarzen Forelle“, ein Stollen im Repecki-Park, der zu einem unterirdischen See führt. Dort können Besucher 600 Meter durch eine geheimnisvolle, unterirdische Landschaft fahren.

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