Straßburg Hauptstadt des Elsass im Herzen Europas
Straßburg · Straßburg im Osten Frankreichs ist bis heute von seiner wechselvollen deutsch-französischen Geschichte geprägt.
Straßburg, die Hauptstadt des Reichslandes Elsass-Lothringen, sollte zu einem Schaufenster werden, erklärt Stadtführer Rodolphe Cattin. „Man wollte ganz Europa zeigen, was die Preußen können.“ Das sorgte damals für viel Wut und Empörung. Heute lässt das „imperiale deutsche Stadtviertel“ mit Welterbe-Status die meisten Touristen kalt. Die schauen sich lieber in der Altstadt mit dem berühmten Münster und den pittoresken Fachwerkhäusern im ehemaligen Gerberviertel Klein-Frankreich um. Im Pensionsalter zeigt er sich immer noch begeistert, wenn die Gäste etwas entdecken, wie das Konterfei Wilhelm des Ersten im schmiedeeisernen Palastzaun oder einen Balkon im Jugendstil.
All das bleibt den Touristen verborgen, die gerade auf einer Bootstour vorbeischippern – die Ill fließt weit unterhalb der Neustadt.
Weiter geht die Stadtführung zu den Fachwerkhäusern rund um die Kanäle und zum Maison de Tanneurs, dem ehemaligen Gerberhaus aus dem 16. Jahrhundert. Gastronomie und Tourismus haben aus dem einst berüchtigten Gerberviertel, das noch im 19. Jahrhundert streng nach faulem Wasser roch, ein beliebtes Postkartenmotiv gemacht. Mehr als die Hälfte der Besucher kommt eigens dafür in die Stadt, sagt das Verkehrsamt.
Warum es „La Petite France“ heißt, wissen allerdings nur wenige Besucher. Die Namensherkunft ist skurril. „80 Prozent der Gäste wissen nicht, dass im örtlichen Militärkrankenhaus französische Soldaten der Syphilis geheilt wurden“, sagt Emeline Burckel, die dazu Touristen befragt hat. Die heimgekehrten Soldaten lösten die erste Epidemie aus. Daher trägt Syphilis den Namen auch den Namen Franzosenkrankheit und die Elsässer tauften das Gerberviertel abfällig „Klein-Frankreich“.
Burckel studiert in Paris, stammt aber aus Straßburg. Ihr Lieblingsviertel heißt Krutenau, zwischen Altstadt und Universität gelegen und als ehemaliges Sumpfgebiet wie „La Petite France“ vom Wasser geprägt. „Das ist ein sehr junges Viertel und gehört doch zum alten Straßburg“, sagt Burckel.
Die Studentin schätzt die vielen Ausgehmöglichkeiten, die internationale Mischung aus Studierenden, Alteingesessenen und wenigen Touristen sowie die Umwandlung der vielbefahrenen Uferstraße am Quai des Bateliers, wo einst die Flussschiffe lagen, in eine Fußgängerzone. „Das ist ein schöner Treffpunkt geworden mit vielen Außenterrassen für die Lokale.“ Im Sommer können Gäste hier mit Blick auf die Altstadt die Füße hochlegen.
Einen guten Kilometer weiter am nächsten Wasserarm der Ill auf der Halbinsel André Malraux, wo vor 100 Jahren ein großes Industriegebiet mit Silos, Kränen und Lagergebäuden entstand, dominieren inzwischen aber Mediathek, Informationstechnik und Freizeitangebote. Burckel verrät: „Da trifft man garantiert keine Touristen.“
Genau hier vorbei führt auch der Radausflug „du Port aux Deux-Rives“. Er verbindet Altstadtkanäle und Hafen mit dem großen Stadtplanungsprojekt Deux-Rives. Letzteres sei vergleichbar mit der Stadterweiterung Hafencity in Hamburg, so Géraldine Amar, Sprecherin der Touristeninformation. „Die Stadt entwickelt sich immer mehr zum Rhein hin.“
„Verbinden statt trennen“ – Dieses Motto findet Ausdruck in einer Straßenbahnlinie, die auf einer eigenen Brücke bis nach Kehl auf der deutschen Seite führt. Viele Straßburger nutzen sie für Einkäufe, Eisdielenbesuche und Erholung, fernab ihrer Altstadt.
Den unkomplizierten Grenzgang über den Rhein bietet auch der Garten der zwei Ufer, wo die empfohlene Radtour endet – obwohl sich die Weiterfahrt über die geschwungene Fußgängerbrücke mit eigenem Steg für Rad- und Rollstuhlfahrer durchaus lohnt: weiter auf dem Rhein-Radweg auf der deutschen Seite, zurück am Rhein-Rhone-Kanal und rund um das Stadtzentrum mit Europaparlament und Orangerie, dem größten und ältesten Park der Stadt.
„Straßburg ist eine absolute Fahrradstadt, flach, verkehrsberuhigt, grün“, sagt Amar. Und, wo die Stadt besonders grün ist, können nicht nur Mitglieder des Europaparlaments im Sommer entspannen.