Der Teufel und die moderne Kunst
Conques · In dieser Region Frankreichs, so heißt es, sagen sich Fuchs und Hase Gute Nacht. Doch wer den Aveyron besucht, findet das modernste Museum Frankreichs, Zeugnisse aus tausend Jahren Geschichte und eine Gastronomie, die ihresgleichen sucht.
Die Hölle ist kein angenehmer Ort. Da wird man von seltsamen Bestien gebissen, verprügelt, oder einem Krokodil ins Maul gestopft. Wer immer sich diese Scheußlichkeiten erdachte - wir kennen seinen Namen nicht. Allerdings wissen wir, dass der Bildhauer, der diese Skulpturen über dem Eingang der Abteikirche von Conques in Stein meißelte, zwischen 1107 und 1125 in der dortigen Bauhütte tätig war.
Horrormotive an Kircheneingängen standen damals hoch im Kurs, auch in der 170 Kilometer südwestlich von Conques gelegenen Abtei von Moissac wimmelt es von Schlangen und Affen, die im Jenseits ehemalige Vielfraße und Geizhälse quälen.
Heute, 1000 Jahre später, hat die Menschheit ihre Dämonen zwar immer noch nicht besiegt, aber sie wohnen nicht mehr in den Kirchen und Abteien. Und ganz bestimmt nicht im Aveyron, diesem beschaulichen Landstrich in der "France profonde", dem Herzen Frankreichs, zwischen Toulouse und der Auvergne. Eine Übergangsregion, im Winter kalt, im Sommer heiß, im Frühling und im Herbst ein Paradies. Pilger, Weinkenner, Kunstfreunde und Feinschmecker finden hier noch das vor, was sie sich unter einem idealen Frankreich-Urlaub vorstellen.
Michel Bras, preisgekrönter Sternekoch, steht höchstpersönlich am Herd des Café Bras im neuen Museum Soulages in der Kleinstadt Rodez . Ein Menü vom Meister ist hier für 29 Euro zu haben, unvorstellbar im arroganten Paris, wo sich Köche dieser Kategorie gegenseitig überbieten - vor allem preislich. Bras zwinkert fröhlich mit den Augen hinter seiner runden Brille: "Kochen" betont er, "Kochen ist meine Passion." Und er sagt "passiong", wie ein Südfranzose. Michel Bras hat seinem Sohn Sébastien das berühmte Restaurant in Laguiole überlassen und schwingt jetzt aus Überzeugung den Kochlöffel in Rodez . Es ist ihm wichtig, dass Besucher das nagelneue Museum mit Werken von Pierre Soulages besuchen, das erst im Mai 2014 eröffnet wurde.
Der Bau ist ein Wagnis im zentralistischen Frankreich. Man traute sich, eine moderne Kasten-Konstruktion aus rostigem Cortenstahl (das Material, bleibt unter seiner rostigen Oberfläche wetterbeständig) mitten in die Provinz zu stellen.
Soulages, einer der letzten noch lebenden Künstler der großen Zeit der abstrakten Malerei der 50er und 60er Jahre, wurde vor 95 Jahren in Rodez geboren. Er trieb den Museumsbau voran und schenkte der Sammlung 500 seiner wichtigsten Werke. Damit riss der Künstler das alte Bischofsstädtchen Rodez aus dem Tiefschlaf, schon vier Wochen nach der Eröffnung hatten über 45 000 Besucher einen Teil von Frankreich entdeckt, von dem sie kaum den Namen kannten. Aveyron, wo liegt das überhaupt? Dabei führte hier einst die Via Podiensis hindurch, einer der wichtigsten Hauptpilgerwege nach Santiago de Compostela. Aber was heute abseits der Autobahnen liegt, gerät zwangsläufig in Vergessenheit.
Wer von oben in das enge Tal von Conques hinabschaut, muss nach Luft schnappen, so schnell geht der Aufzug ins Mittelalter. Dicht an dicht scharen sich kleine Steinhäuschen mit grauen Bieberschwanzziegeln um die alles überragende Abteikirche. Da das Ensemble zum Unesco-Weltkulturerbe zählt, dürfen hier weder Verkehrsschilder noch Stromleitungen den Anblick stören.
Die Soldaten der französischen Revolution machten sich auf ihrem Zerstörungszug zum Glück nicht die Mühe, in Conques die steinernen Skulpturen zu köpfen. Und so kann man bis heute die ganze Pracht mittelalterlicher Erhabenheit, aber auch mittelalterlicher Ängste und Erlösungshoffnungen am Portal ablesen. Die Fenster der Abtei hat übrigens der Künstler Soulages gestaltet - in strenger Linienführung.
So schlägt man im Aveyron mühelos eine Brücke vom 12. Jahrhundert in die Neuzeit. Dazu gibt es gutes Essen, Wein aus dem Marcillac-Tal und schöne Landgasthöfe. Unterhalb von Conques , in der Domaine de Cambelong, watscheln die Gänse vom Bach bis auf die Terrasse. Koch Hervé Busset bringt schon mal ein paar feine Häppchen zum Apéritif an den Tisch.
Nachher gibt's noch ein Menü mit Wein aus dem Winzerdorf Valady. Dass man zur Strafe für diese Völlerei im Jenseits vom Teufel verdroschen wird, glaubt heute niemand mehr. Die Neuzeit hat eben auch ihre guten Seiten.
Zum Thema:
Auf einen Blick:Ausführliche Informationen über die Region, auch auf Deutsch, findet man im Internet.tourisme-aveyron.comconques.frcafebras.fr