Betonbauten neben malerischen Buchten

Budva · Das kleine Montenegro ist ein Land der Gegensätze: Weltkulturerbestätten liegen dicht neben sozialistischen Bausünden. Die Menschen vor Ort freuen sich über Touristen, denn die bringen Jobs. Den Besucher erwartet eine reizvolle Landschaft und eine aufregende Partyszene.

 Die Insel Sveti Stefan im tiefblauen Meer vor der Küste Montenegros ist eine der Touristenattraktionen der Region. Foto: Cejovic/ Visit-Montenegro.com

Die Insel Sveti Stefan im tiefblauen Meer vor der Küste Montenegros ist eine der Touristenattraktionen der Region. Foto: Cejovic/ Visit-Montenegro.com

Foto: Cejovic/ Visit-Montenegro.com

Der in die Jahre gekommene Kleinbus rast um eine Kurve. Er kommt aus dem Hinterland, nun wird der Blick auf die Bucht von Budva frei. Für Busfahrer Andrej Brcina ist das staunende "Ah!" und "Oh!" seiner Mitfahrer nichts Neues. Viermal täglich fährt er in die Touristenhochburg an der Adriaküste. Aus dem Radio schallt der Balkanpop der serbischen Sängerin Goca Trzan. Andrej drückt auf das Gaspedal. Er nimmt keine Rücksicht auf die fotografierenden Touristen , die sich beim Anblick der Landschaft mit ihren Zypressenhainen eher wie in der Toskana fühlen als auf dem Balkan.

Der 35-jährige Andrej macht Pause am Busbahnhof von Budva . Wie überall an viel befahrenen Straßen und Plätzen finden Hungrige kleine Imbissbuden, wo echte Balkanküche für wenige Euro angeboten wird. "In den malerischen Buchten rund um die Hotelinsel Sveti Stefan gibt es für uns Einheimische gutes Geld mit Unterkünften, Gastronomie und Ausflügen zu verdienen", erzählt Andrej mit vollem Mund.

Rund 500 Euro im Monat, etwas mehr als das Durchschnittseinkommen , verdient der zweifache Vater Andrej mit seinen täglichen Fahrten zwischen Budva , Tivat und Kotor. Die mittelalterliche Siedlung mit Stadtmauer, Burg und der herrlichen Bucht von Kotor wurde 1979 zum Weltkulturerbe erklärt. Sie verkörpert Montenegros Nationalstolz.

Die Geschichtsstudentin Ksenia Kostic besucht ihre Eltern in der Künstlerstadt Herceg Novi, etwa 40 Kilometer Luftlinie weiter nordwestlich. Dafür steigt sie in Budva um. Die Mittzwanzigerin verdient sich als Reiseleiterin Geld für das Studium. Es gebe einfach zu wenig Arbeit, sagt sie. Noch. Denn die Industrie und auch der Tourismus erholen sich vom Jugoslawien-Krieg, aus dem sich Montenegro so gut es ging herausgehalten hat.

Wer die Touristenbucht von Budva erreicht, schaut nicht nur auf das türkisblaue Wasser der Adria, die historische Hafenstadt und die Insel Sveti Nikola. Sondern auch auf Hotelbunker der Sechziger- und Siebzigerjahre. Mancher empfindet sie regelrecht als Beleidigung für das Auge. Doch es werden weitere Anlagen gebaut: Am Ortsausgang entsteht ein riesiger Komplex mit 36 Häusern und 200 Luxus-Appartements mit Meerblick: "Dukley Gardens". Hier hat sich ein reicher Investor aus dem Ausland ein Filetgrundstück in Hanglage gesichert. Das Geldverdienen gestaltet sich aber schwierig. Seit 2010 wird der Bau immer wieder gestoppt. Die Bauarbeiten nehmen immer dann wieder Fahrt auf, wenn einige Parzellen an investitionswillige Europäer veräußert wurden. Während viele Städte Europas gelernt haben, ihr kulturelles Erbe zu schützen und die Landschaft nicht zu verschandeln, steht der Umweltschutz in Montenegro noch ziemlich am Anfang.

Andrej und Ksenia sehen die üblen Bausünden schon gar nicht mehr. Für sie ist die kleine Schwester Serbiens ein Land der Superlative: Der einzige Fjord in Europa außerhalb Norwegens, einige der tiefsten Schluchten der Mittelmeerregion, Berge bis hin zum höchsten Gipfel Zla Kolata mit 2534 Metern Höhe an der Grenze zu Albanien. Ksenia schwärmt vom Skadarsko Jezero, dem Skadar-See. Er ist das größte Binnengewässer auf dem Balkan. Eine Bootstour mit Vogelbeobachtung sei für jeden Touristen Pflicht, sagt Ksenia.

Wer es geselliger mag und im Urlaub gern auch feiern möchte: Budva und die benachbarte Stadt Becici sind bekannt für ausgelassene Strandpartys. Seit 2014 steigt für drei Tage im Juli das Sea Dance Festival, bei dem 80 000 Besucher zu elektronischer Musik feiern. "An diesen Tagen haben wir hier Ausnahmezustand. Da nehme selbst ich mir drei Tage frei, um dabei zu sein", sagt Andrej.

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Hintergrund Die Badesaison in Montenegro dauert von Mai bis September. Landeswährung ist der Euro, Landessprache Serbisch. In Touristenregionen wird auch Englisch gesprochen. dpa montenegro-adria.de

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