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Lille · Fernab des Trubels Südfrankreichs, der Hauptstadt und der Atlantikküste gerät eine Region Frankreichs leicht in Vergessenheit: Nord-Pas-de-Calais. Zu Unrecht, ist der Norden doch reich an architektonischen und industriellen Schätzen einer längst vergangenen Zeit.

 Erinnert ein wenig an das Taj Mahal: Villa Cavrois in Croix. Foto: Porz

Erinnert ein wenig an das Taj Mahal: Villa Cavrois in Croix. Foto: Porz

Foto: Porz

Für einen Moment fühlt der Besucher sich tatsächlich ans Taj Mahal versetzt. Was sich 1932 die Textil-Millionäre Cavrois an den Stadtrand des Städtchens Croix haben bauen lassen, braucht den Vergleich mit prunkvollen Palästen nicht zu scheuen. Baron Paul Cavrois, der einer industriellen bürgerlichen Familie aus Roubaix nahe Lille entstammte - er besaß zwei Textilfabriken sowie eine Färberei - hatte Architekt Robert Mallet-Stevens beauftragt, auf einem 3800 Quadratmeter großen Grundstück ein Haus mit sage und schreibe 1800 Quadratmetern Wohnfläche zu errichten.

Mallet-Stevens schuf eines der architektonischen Meisterwerke des 20. Jahrhunderts, durchgestylt vom Dach bis zum Keller. Das Gebäude gehört inzwischen dem französischen Staat, der es für nahezu 23 Millionen Euro vor dem sich abzeichnenden Verfall gerettet und hat restaurieren lassen. Seit knapp einem Jahr kann der Palast samt großzügigem Park besichtigt werden.

Die Villa Cavrois ist ein beeindruckendes Beispiel für Aufstieg und Fall der Textilindustrie in Nordfrankreich. Und dafür, wie man mit industriellem Erbe umzugehen hat, um es für Touristen zugänglich zu machen.

Die Textilindustrie, insbesondere die Herstellung edelster Spitze, war für mehr als hundert Jahre eine der wichtigsten Wirtschaftszweige in der heutigen Region Nord-Pas-de-Calais, der nördlichsten Region Frankreichs, direkt am Ärmelkanal und an der Grenze zu Belgien gelegen. Zwar wird auch heute noch vereinzelt Spitze auf hohem Niveau produziert, aber als Arbeitgeber spielt die Textilindustrie inzwischen nur noch eine untergeordnete Rolle.

Auferstanden aus Ruinen

Viele der Fabrikruinen sind inzwischen zu Museen geworden, zu Kommunikations- und Kulturzentren, zu Stätten der Begegnung und des urbanen Lebens. Und damit zu Stätten der Kurzweil - ideal für Touristen . "Die Region, aber auch der französische Staat haben sich massiv engagiert, um den zum Teil völlig heruntergekommenen Gebäuden neues Leben einzuhauchen", freut sich Claire Beaufromé vom Tourismusbüro über die gelungene Umwidmung und neue Nutzung zahlreicher alter Fabriken, Lagerhallen und Bahnhöfe.

Dazu gehört etwa der Gare Saint-Sauveur in Wazemmes, auf dessen weitläufigem Gelände sich heute nationale und internationale Künstler ein Stelldichein bei Ausstellungen oder Seminaren geben.

Sehenswert ist auch das Museum für Spitze in Caudry, wo einige der letzten Klöppler der Region ihre alte Handwerkskunst anschaulich erklären und Originalmaschinen aus verschiedenen Epochen - übrigens alle noch funktionsfähig - zu bestaunen sind. Ganz stolz ist man in Caudry übrigens über einen Großauftrag aus jüngster Zeit: Die Ausstatter des Hollywood-Films "Der große Gatsby" mit Leonardo di Caprio haben unzählige Kostüme in den Werkstätten herstellen lassen. Einige davon kann man im Spitzenmuseum im ersten Stockwerk des Gebäudes bestaunen.

Zurück nach Roubaix. Das Musée d'Art et d'Industrie war früher ein stark frequentiertes Bad aus der Jugendstilzeit mit verschwenderischem Interieur. Es war vom Verfall bedroht, ist aber inzwischen vollständig wieder hergestellt und lockt nicht nur mit dem wieder funktionsfähigen Schwimmbecken sondern mit ständig wechselnden Kunstausstellungen. Einen Steinwurf entfernt liegen die Maisons de Mode. Das ist ein Modeviertel, in dem junge Designer ihre Kreativität ausleben. Über einen Besuch freut sich jeder einzelne von ihnen, der bereitwillig seine zum Teil eigenwilligen Kreationen präsentiert und die Ideen dahinter erläutert. Und weil es auf dem Weg liegt, sollte man auch der Manufacture des Flandres einen Besuch abstatten, einer ehemaligen Textilweberei, die zum Atelier-Museum geworden ist. Auch hier gibt es viele Originalzeugen der textilen Vergangenheit der Region rund um Lille .

Ganz andere Wege ist man in der Condition Publique gegangen, einer fast einen ganzen Straßenblock einnehmenden ehemaligen Stofffabrik. Heute ist das Haus ein multifunktionelles Gebäude, das vor allem von jungen Unternehmern genutzt wird, welches aber auch Räume für Konzerte und Theateraufführungen beherbergt.

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Auf einen BlickDie Region Nord-Pas-de-Calais im Norden Frankreichs wird Kulturliebhaber und Architekturfans mit seinem historischen Erbe erfreuen. Viele Museen und Kulturstätten erinnern hier an die industrielle Vergangenheit. rednordfrankreich-tourismus.com

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