Auf den Spuren eines Juwelendiebs

Nizza · Das Carlton-Hotel in Cannes ist eine Ikone der französischen Côte d'Azur. Weltstars stiegen und steigen dort ab. Im Jahr 1954 war es Schauplatz des Hitchcock-Films „To catch a thief“. In der deutschen Übersetzung „Über den Dächern von Nizza“ wurde es kurzerhand in die 30 Kilometer entfernte Nachbarstadt verlegt.

 Im Film „Über den Dächern von Nizza“ von Regisseur Alfred Hitchcock ist Darsteller Cary Grant von Diamanten und schönen Frauen (Grace Kelly) umgeben. Heute können Touristen in der Provence auf den Spuren des Ganoven wandeln.Foto: Paramount

Im Film „Über den Dächern von Nizza“ von Regisseur Alfred Hitchcock ist Darsteller Cary Grant von Diamanten und schönen Frauen (Grace Kelly) umgeben. Heute können Touristen in der Provence auf den Spuren des Ganoven wandeln.Foto: Paramount

Foto: Paramount

John Robie hätte es heute schwerer als damals. Inzwischen gibt es massive Riegel in Gold an den Zimmerfenstern und Überwachungskameras in den Korridoren. Und sehr unauffällige Security-Leute. Aber wenn irgend jemand die Fenster bei Nacht einen Spalt offen lässt, damit er das Meeresrauschen und die Autos unten auf der Croisette hören kann, flattern die Vorhänge noch genau so im Wind wie damals Mitte der 1950er Jahre vor der Film-Kamera. Wie damals, als erst nur ein Arm von draußen in die Zimmer griff, die Gardinen zur Seite strich und schließlich ein schwarzer Schatten im Mondlicht hereinsprang und Juwelen raubte, weil die Story eines Romanes es so wollte.

Was ebenfalls so ist wie früher, sind die niedrigen Metallgitter zwischen den kleinen Balkonen im sechsten Stock: allesamt leicht überwindbar für einen geübten Kletterer wie John Robie alias "die Katze" - den erfolgreichsten Juwelendieb seiner Zeit an der Französischen Riviera. Alfred Hitchcock hat ihn mit seiner Verfilmung von "To catch a thief" dazu gemacht.

"Hier? Bei uns in den Zimmern? Hier ist in all den Jahren nichts passiert. Keine spektakulären Diebstähle, kein Schaden für die Gäste. Das gab es nur im Film", erinnert sich Louis Menin, der 1946 als Etagenkellner im Room Service angefangen, diese Abteilung später geleitet und das Film-Team damals bedient hat. Heute ist er fast neunzig Jahre alt und weiß es noch ganz genau: "Damals, im Frühsommer 1954, da wurde gestohlen - aber nur für die Kamera. Nur, weil Alfred Hitchcock es so wollte. Und am Ende war es ja gar nicht John Robie, gar nicht Cary Grant , obwohl die Leute im Kino das zunächst glauben sollten."

Den Gentleman-Schauspieler hat Menin als sehr freundlichen Herren im Gedächtnis, als im "Carlton" direkt an der Croisette von Cannes "To catch a thief" gedreht wurde - ein Kino-Welterfolg, der in der deutschsprachigen Fassung den nicht ganz akkuraten Titel "Über den Dächern von Nizza " bekam und seither Dutzende Male im Fernsehen wiederholt wurde.

Gebraucht hat das Hotel diese Art Werbung nicht. Der 1911 eröffnete und bereits 1913 erweiterte 382-Zimmer-Koloss konnte sich nie über Mangel an Auslastung beklagen, war schon immer das Herz des 1946 ins Leben gerufenen Film-Festivals von Cannes . Das Haus ist das Wahrzeichen von Cannes .

Nach Cary Grant ist im Hotel heute eine der Suiten benannt, eine andere nach Alfred Hitchcock , eine weitere nach Grace Kelly . Sie lernte hier bei der Filmpremiere 1955 Fürst Rainier von Monaco kennen, den sie ein weiteres Jahr später heiratete. Sie zog für immer an die Côte d'Azur und war fortan Fürstin Gracia Patricia. Kein Wunder, dass "ihre" Suite heute häufig von Hochzeitsreisenden gebucht wird - oder von Männern, die ihrer Begleitung dort einen Heiratsantrag unterbreiten wollen und beim Hotel die passende Blumen-Deko mitbuchen. Die Nachfolger von Louis Menin kümmern sich heute um Extrawünsche. Er selbst ist seit 1984 in Pension.

Und wenn es zu Louis Menins aktiver Zeit tatsächlich keine Schmuckdiebstähle im Carlton gegeben haben mag, ausgerechnet 2013, im Jahr des hundertsten Hotel-Geburtstages, war es doch so weit. Der Täter musste dafür noch nicht einmal klettern. Katzenhafte Eleganz war nicht gefragt. Ob es ein Gentleman-Ganove war, ist nicht bekannt. Er marschierte ins Gebäude, wo in einem der Veranstaltungsräume gerade eine Juwelen-Ausstellung stattfand. Er räumte die Vitrinen leer und entkam unerkannt mit einem Koffer voller Juwelen . Verletzt wurde niemand, gefilmt hat die Tat am hellichten Tag nur die Überwachungskamera. Die Qualität der Bilder soll schlecht sein. Der Täter ist flüchtig, die Beute wird auf 103 Millionen Euro geschätzt. Filmreifer Stoff.

Zum Thema:

Auf einen BlickDie Filmfestspiele von Cannes gehören seit 1946 zu den weltweit bedeutendsten Veranstaltungen der Filmbranche. Als wichtigster Preis wird die Goldene Palme für den besten Film vergeben. 2015 wird das Spektakel vom 13. bis zum 24. Mai im "Palais des Festivals et des Congrès" stattfinden. red

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