Mieterin klagt gegen Vermieter-Ehepaar Putzplan fürs Treppenhaus: Bezeichnung einer Mieterin als „Fräulein“ wird zum Fall für die Justiz

Frankfurt · Die Bezeichnung einer nicht verheirateten Frau als „Fräulein“ ist zwar diskriminierend. Schließlich heißen entsprechende Männer ja auch nicht „Herrlein“. Trotzdem kann eine betroffene Frau nicht in jedem Fall mit Erfolg gegen das „Fräulein“ klagen. Dazu ein Gerichtsurteil.

 In Deutschland „Fräulein“, in Frankreich „Mademoiselle“. Diese Bezeichnung von unverheirateten Frauen - hier in einem Behördenformular von 2011 -  ist nicht mehr üblich.

In Deutschland „Fräulein“, in Frankreich „Mademoiselle“. Diese Bezeichnung von unverheirateten Frauen - hier in einem Behördenformular von 2011 - ist nicht mehr üblich.

Foto: dpa/Ansgar Haase

Nicht jede Form von möglicher verbaler Diskriminierung ist automatisch verboten. Es kommt vielmehr immer auf die Umstände des konkreten Falles an und auch darauf, wer etwas sagt. Schließlich ist die Sprache als Mittel der Kommunikation einem ständigen Wandel über Generationen unterworfen. Eine Mieterin einer Wohnung hat vor diesem Hintergrund keinen Anspruch auf Unterlassung, wenn sie von ihren hochbetagten Vermietern in Aushängen zum Treppenputzplan im Hausflur mit der Anrede „Frl.“ oder “Fräulein“ bezeichnet wird. Das hat das Amtsgericht in Frankfurt am Main entschieden (Az.: 29 C 1220/19 (46).

Die Betroffene war seit 1984 Mieterin einer Wohnung im Haus des Vermieter-Ehepaares. Im Mietvertrag war sie als „Frl.“, also mit der Abkürzung von „Fräulein“ , bezeichnet worden. In dem Mehrparteienhaus lebte auch das 92 und 89 Jahre alte Vermieter-Paar. Die 89-jährige Ehefrau hielt den Turnus der Treppenhausreinigung regelmäßig handschriftlich fest und hängte diesen Zettel im Treppenhaus auf. Auf dem Putzplan war die betroffene Mieterin namentlich mit dem Zusatz „Frl.“ oder „Fräulein“ samt ihrer Wohnetage aufgeführt. Auch andere handschriftliche Zettel, die von dem Ehepaar an der Tür der Mieterin befestigt wurden, enthielten den Zusatz „Frl.“ oder „Fräulein“.

Die Mieterin war mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden. Sie bat die Vermieter mehrfach darum, die öffentliche Benennung ihrer Person sowie Zusätze der Etage und des (veralteten) Familienstands zu unterlassen. Die Vermieter ließen sich dadurch nicht umstimmen und blieben bei ihrer bisherigen Linie. Die Mieterin erhob deshalb Klage auf Unterlassung. Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat diese Klage nun abgewiesen.

Begründung des Urteils: Ein Anspruch auf Unterlassung der kritisierten Bezeichnung bestehe nicht. Das Gebaren der Vermieter sei nämlich nicht ehrverletzend und verletze nicht das Persönlichkeitsrecht der Klägerin. Der Begriff Fräulein als Bezeichnung einer unverheirateten Frau sei zwar in Ermangelung eines äquivalenten, latent verniedlichenden Begriffs für unverheiratete Männer bereits im Jahr 1972 aus öffentlichen Registern abgeschafft worden. International sei jedoch keine einheitliche Bewertung der Anredeform als herabsetzend festzustellen. So gebe es zwar in Frankreich gegenwärtig eine aktuelle Protestbewegung gegen die Bezeichnung als „Mademoiselle“, demgegenüber werde die Anrede „Miss“ in Großbritannien aber nicht als problematisch empfunden. Und in Deutschland habe es sogar noch nach der Jahrtausendwende eine moderne Frauenzeitschrift mit dem Titel „Fräulein“ gegeben.

Das Amtsgericht weiter: Bei der Beurteilung des konkreten Falles sei zudem das hohe Alter der Beklagten zu berücksichtigten. Die Eheleute seien 1972, bei offizieller Abschaffung des Namenszusatzes „Fräulein“, bereits in ihren mittleren Jahren gewesen. Davor hätten sie den Begriff als regulären Namenszusatz erlernt und beibehalten. Außerdem sei der Mieterin vorzuhalten, dass sie die Verwendung der Bezeichnung „Frl.“ noch im Mietvertrag von 1984 nicht beanstandet habe. Das Verhalten der Vermieter sei in der Gesamtschau dieser Umstände nicht rechtswidrig sondern allenfalls unfreundlich und von mangelnder Kompromissbereitschaft geprägt.

Etwas anderes gelte auch nicht mit Blick auf die Regeln zum Datenschutz. Dazu das Gericht: Die Mieterin könne sich wegen der Aushänge im Treppenflur nicht auf einen Unterlassungsanspruch nach der Datenschutzgrundverordnung berufen. Diese erfasse nur die automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten und/oder deren Speicherung in einem Dateisystem. Die Daten der Mieterin, die im Treppenhaus ausgelesen werden könnten, würden in Anbetracht des handschriftlich erstellten Putzplanes und des hohen Alters der Beklagten offensichtlich weder ganz noch teilweise automatisiert verarbeitet. Eine Speicherung der Daten in einem Dateisystem sei ebenfalls nicht ersichtlich. Die Aufstellung des Putzplanes sei im nachbarschaftlichen Bereich eines gemeinsam genutzten Mehrparteienhaus auch ohne eine solche Speicherung durchführbar. So weit das Amtsgericht Frankfurt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

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