Gerichtsurteil über Natur und Gesundheit Trotz Pollenallergie: Richter lassen Bäume in der Nachbarschaft nicht fällen

Neustadt · Wer unter Pollenallergie leidet, der kann zum Schutz seiner Gesundheit nicht die Entfernung von Pflanzen in der Nachbarschaft verlangen. Denn die Nachbarn und die Allgemeinheit haben ein berechtigtes Interesse an Grünpflanzen in Wohngegenden. Dazu unser Rechts-Tipp.

  Eine Frau schnäuzt sich hinter Birkenblüten. Symbolfoto.

Eine Frau schnäuzt sich hinter Birkenblüten. Symbolfoto.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Viele Menschen leiden unter einer Pollenallergie. Während andere die warmen Tage draußen in der Natur genießen, kämpfen sie mit Schnupfen und anderen Symptomen. Viele Betroffene bleiben deshalb im Haus oder der Wohnung. Manche von ihnen versuchen auch die Verursacher der Pollenallergie zu beseitigen. Auf dem eigenen Grundstück mag das vielleicht sogar möglich sein. Aber einen Anspruch darauf, dass in der Nachbarschaft entsprechende Pflanzen beseitigt werden, den gibt es nicht. Warum das so ist, das hat das Verwaltungsgericht vor einiger Zeit erklärt. Es ging um die Klage eines Ehepaares in einer Straße mit dem Namen „Birkenweg“. Urteil der Richter: Die betroffene Stadt sei nicht verpflichtet, die Birken längs des Birkenweges zu fällen. Die Nachbarklage des Ehepaares, das unter Pollenallergie leidet, wurde abgewiesen (4 K 923/12.NW).

Hintergrund: Die Stadt hatte Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts im Zuge der Herstellung des Birkenwegs auf beiden Seiten der Straße insgesamt mehr als 30 Birken gepflanzt. Rund vierzig Jahre später forderte die spätere Klägerin, die an einer Pollenallergie leidet, die Stadt auf, alle Birken im Birkenweg zu entfernen. Dies lehnte der Oberbürgermeister ab. Lediglich kranke oder abgestorbene Birken würden durch Säulenbirnen ersetzt. Daraufhin klage das Ehepaar im Oktober 2012. Begründung: Der durch die Birken verursachte starke Pollenflug hätte bei einer Vielzahl von Bewohnern des Birkenweges zu einer Pollenallergie geführt. Die Behandlung mit Medikamenten und Kortisonspritzen stelle eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit dar. In den maßgeblichen Monaten im Frühjahr seien die Betroffenen nahezu permanent krank. Deshalb könnten sie ihr Grundstück in dieser Zeit nicht in der üblichen Weise nutzen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und betont: Die Kläger müssten als Straßenanlieger die Einwirkungen von Pflanzungen im Bereich des Straßenkörpers und der Nebenanlagen dulden. Diese Duldungspflicht werde von vernünftigen Gemeinwohlgedanken getragen. Insoweit müsse ein Grundstückseigentümer zwar nicht jegliche Beeinträchtigungen oder Schäden durch Bepflanzungen im öffentlichen Straßenraum dulden. Er habe aber lediglich dann einen Anspruch auf Beseitigung der Pflanzen, wenn dadurch die Nutzung seines Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt werde.

Bei der entsprechenden Bewertung sei auf die Zumutbarkeit für einen durchschnittlich empfindlichen Menschen in vergleichbarer Lage abzustellen, so die Richter. Besondere Empfindlichkeiten oder eine individuelle gesundheitliche Disposition könnten dagegen nicht berücksichtigt werden. Die objektive Nutzbarkeit des Grundstücks der Kläger werde daher im Ergebnis nicht dadurch unzumutbar beeinträchtigt, dass sie auf Grund ihrer individuellen Pollenallergie das Grundstück zeitweise nur eingeschränkt nutzen könnten. Und weiter: Wollte man der Argumentation der Kläger folgen, wären wohl viele Straßenbäume in bebauten Gebieten zu entfernen - denn in der Nähe eines jeden dieser Bäume wohne oder arbeite mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Allergiker.

Unsere Rechts-Tipps: Im Alltag stellen sich viele rechtliche Fragen. Die Gerichte haben sie oft bereits beantwortet. Wir suchen nach dem passenden Fall in unserem Archiv von Recht-Spezial und liefern so die Antworten auf aktuelle Fragen.

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