Urteil zu Streupflicht im Winter Nicht gestreut: Schmerzensgeld nach Sturz auf glattem Stellplatz für Räder vor Supermarkt

München · Viele Kommunen, Firmen oder Hauseigentümer übertragen den Winterdienst auf gewerbliche Unternehmen. Für diese gelten strenge Sorgfaltspflichten. Sie müssen bei möglicher Glätte kontrollieren und aktiv werden.

 Ein Mitarbeiter eines Unternehmens hält Streusalz in Händen. Symbolfoto.

Ein Mitarbeiter eines Unternehmens hält Streusalz in Händen. Symbolfoto.

Foto: picture alliance / dpa/Friso Gentsch

Der Winter kommt und mit ihm die Gefahr überfrierender Nässe bei Kälte. Gewerbliche Unternehmen, die für andere den Winterdienst und damit die entsprechenden Verkehrssicherungspflichten übernehmen, müssen in dieser Zeit besonders aufmerksam sein und mögliche Risiko-Stellen zumindest regelmäßig kontrollieren. Denn eine unterlassene Streukontrolle trotz nachweislich vorhandener Glätte begründet unter Umständen die volle Haftung nach einem Unfall mit Personenschaden.

Das ergibt sich aus einem Urteil des Amtsgerichts München. Es hat der Schadensersatzklage einer 54jährigen Radfahrerin nach einem schweren Sturz auf einem Stellplatz vor einem Supermarkt stattgegeben. Das vor Ort mit den Räum- und Streupflichten befasste Unternehmen muss der Frau deshalb ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 Euro zahlen. Außerdem ist es verpflichtet, der Betroffenen alle künftigen Schäden aus dem Schadensereignis vom 3. März 2015 zu ersetzen.

Die Frau war damals gegen 08:00 Uhr mit ihrem Fahrrad zum Einkaufen zu einem Supermarkt gefahren Sie stürzte unmittelbar vor dessen Stellplatz für Fahrräder zu Boden. Sie erlitt dabei eine Fraktur des rechten Mittelfingers mit Kapselanriss. Nach sechswöchiger Ruhigstellung wurden 50 ergotherapeutische Behandlungen verordnet. Die Funktionsfähigkeit des Mittelfingers blieb dennoch zu 30 Prozent beeinträchtigt, die der beiden Nachbarfinger zu jeweils zehn Prozent. Die Frau hatte zum Zeitpunkt des Urteils - mehr als drei Jahre nach dem Sturz vor dem Supermarkt - immer noch Schwierigkeiten beim Öffnen von Flaschen oder beim Händedruck und konnte die Hand noch nicht wieder zur Faust ballen. Die weitere Entwicklung ist ungewiss.

Zum Unfallhergang berichtete die Klägerin, dass Straßen und Wege an jenem Morgen im Wesentlichen frei von Schnee und sonstigen Beeinträchtigungen gewesen seien. Es habe jedoch am Vortag geregnet und sei über Nacht sehr kalt gewesen. Deshalb sei vorsichtig gefahren sei. Bei der Anfahrt des Fahrradstellplatzes in der Nähe des Eingangs des Supermarktes sei sie auf eine nicht erkennbare etwa drei mal drei Meter große Fläche überfrorener Nässe geraten. Es sei nicht gestreut gewesen. Das Fahrrad sei weggerutscht - und sie sei auf die Hand gestürzt.

Die zuständige Richterin am Amtsgericht München machte dafür das mit dem Winterdienst vor Ort beauftragte Unternehmen verantwortlich. Die Verletzung der Frau sei die Folge einer fahrlässigen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Unternehmens. Die Verkehrssicherungspflicht, insbesondere der Winterdienst sei von dem Supermarkt unstreitig auf die Beklagte übertragen worden. Und dieser Verkehrssicherungspflicht sei die Beklagte nicht ausreichend nachgekommen.

Begründung: Zum damaligen Zeitpunkt habe vor Ort ein Fall von überfrierender Nässe vorgelegen. Deshalb wäre das beklagte Unternehmen verpflichtet gewesen, an diesem Tag eine Kontrolle an dieser Stelle durchzuführen und bei Feststellung der Glättestelle zu streuen. Es handele sich um ein Datum Anfang März. Zu dieser Zeit sei allgemein der Winter in München und Umgebung noch nicht vorbei. Es könne zu Schnee und Eisglätte kommen. Bei der konkreten Temperatur an diesem Tag sei auch nicht von vornherein ausgeschlossen gewesen, dass es an einzelnen Stellen glatt sein könne. Deshalb hätte das Unternehmen aktiv werden müssen. Weil es den Winterdienst gewerblich ausübe, unterliege es im Vergleich mit privaten Anliegern schließlich auch erhöhten Sorgfaltspflichten. So weit das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts München (Az.: 154 C 20100/17).

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