Mietvertrag nur zum Schein? Jobcenter muss für Familie keine Miete ohne Nachweis der Kosten übernehmen

Celle · In Deutschland übernimmt der Staat die Grundsicherung der Menschen, die dies nicht alleine schaffen. Dazu gehören auch die Kosten für eine angemessene Wohnung. Der Zuschuss orientiert sich an den Miet-Kosten.

 Das Jobcenter ist Anlaufstelle für die Empfänger von Grundsicherung. Symbolfoto.

Das Jobcenter ist Anlaufstelle für die Empfänger von Grundsicherung. Symbolfoto.

Foto: dpa-tmn/Jan Woitas

Das Jobcenter muss nur dann die Miete für Empfänger von Grundsicherung übernehmen, wenn die tatsächlichen Kosten von den Antragstellern offengelegt werden. Das gilt insbesondere auch bei verdeckten Mietverhältnissen unter Verwandten. Das hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen mit Sitz in Celle in einem aktuellen Eilbeschluss klargestellt. Darin machen die Richter auch deutlich, dass es auf der Basis von Schein-Mietverträge keine Zuschüsse vom Amt gibt.

Im konkreten Fall geht es um eine Familie mit vier Kindern aus Hannover. Sie war zum Ende des vergangenen Jahres in den Landkreis Northeim gezogen. Zuvor hatte sie beim zuständigen Jobcenter ein Mietangebot über die neue Wohnung vorgelegt. Es belief sich auf insgesamt rund 1070 Euro Kaltmiete inklusive Vorschuss für Betriebskosten, Heizung und Warmwasser. Nachdem das Jobcenter daraufhin mitgeteilt hatte, dass der Mietpreis für eine 120 Quadratmeter große Wohnung in dörflicher Lage unangemessen ist, änderte der in Moskau wohnhafte Vermieter das Angebot kurzfristig auf 750 Euro ab. Auch die Wohnfläche war mit 130 Quadratmetern nicht mehr die gleiche.

Das Jobcenter wurde hellhörig und stellte fest, dass der Vermieter der Vater der ursprünglich aus Russland stammenden Frau ist. Dieser hatte seiner Tochter eine umfassende Vollmacht zum Erwerb und zur Betreuung der Immobilie erteilt. Damit hatte die Frau Mitte 2019 das Haus im Namen ihres Vaters erworben. Die Versorgungsverträge für Wasser- und Abwasser liefen jedoch auf ihren Namen. Das Jobcenter stellte daraufhin die Ampel auf Gelb und machte die Übernahme der Mietkosten von der Vorlage von Zahlungsnachweisen durch die Familie abhängig.

Dagegen wehrte sich die Familie mit einem Eilantrag an das zuständige Sozialgericht. Sie hat sich auf drohende Obdachlosigkeit berufen und vorgetragen, dass der Vermieter mit Kündigung wegen Zahlungsrückständen gedroht habe. Die Miete solle deshalb vom Amt direkt auf ein Konto in Moskau überwiesen werden. Das Sozialgericht Hildesheim lehnte den Erlass einer einstweiligen Anordnung jedoch ab. Begründung: Die Antragsteller hätten nicht glaubhaft dargelegt, dass aufgrund etwaiger Mietrückstände unmittelbar im Zusammenhang mit der Unterkunft stehende negative Konsequenzen drohten. Der Mietvertrag sei unter Verwandten abgeschlossen worden. Eine Kündigung aufgrund finanziellen Unvermögens sei in dieser Konstellation sehr unwahrscheinlich. Es sei auch nicht erkennbar, dass die Antragsteller gegenwärtig irgendwelchen konkreten Maßnahmen ihres Vermieters ausgesetzt seien. Angesichts „einer fehlenden Notlage“ seien die Antragsteller auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen, so das Sozialgericht. Im Hauptsacheverfahren könne dann auch geklärt werden, ob überhaupt eine wirksame zivilrechtliche Verpflichtung zur Mietzinszahlung bestehe.

Das Landesozialgericht hat diese Linie und die Rechtsauffassung des Jobcenters bestätigt: Die Familie müsse die tatsächlichen Kosten offenlegen. Sie könne nicht lediglich auf den Mietvertrag verweisen, da es sich wegen vieler Indizien um einen Scheinvertrag handeln könnte. So sei es nicht marktüblich, dass ein Mietangebot ohne weiteres um etwa 30 Prozent herabgesetzt werde. Die reduzierte Miete sei auch nicht - wie die Familie meinte - besonders günstig, da die Immobilie lediglich 80.000 Euro gekostet habe und sich damit in wenigen Jahren refinanziert hätte. Widersprüchlich seien auch das Vorbringen zu den Zahlungsmodalitäten sowie die Angaben in den Versorgungsverträgen mit dem Abwasserzweckverband und der Gebäudeversicherung. Wegen dieser Unklarheiten müsse das Jobcenter aktuell nicht für die Miete zahlen - sondern erst nach entsprechendem Nachweis der Miet-Kosten (Az.: L 11 AS 228/20 B ER).

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