Kurzer Prozess: Freispruch für den angeblichen Räuber vom Staatstheater

Saarbrücken · Die Fakten schienen klar und die Aktenlage eindeutig. Danach hatte ein 34-Jähriger mitten in der Nacht einen Mann in Saarbrücken ausgeraubt. Aber vor Gericht sah das anders aus, und der Angeklagte wurde freigesprochen.

 Symbolbild  Location: Karlsruhe

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Foto: Uli Deck/dpa

So schnell kann es gehen. Um neun Uhr am Morgen kam der 34 Jahre alte Mann aus dem Saarland mit gesenktem Kopf zum Landgericht und setzte sich auf die Anklagebank. Dort musste er sich wegen eines bewaffneten Raubüberfalles auf einen Passanten in der Nähe des Saarbrücker Staatstheaters verantworten. Im Fall einer Verurteilung drohten ihm mindestens fünf Jahre Gefängnis. Rund dreieinhalb Stunden später waren der Vorwurf und die Strafe vom Tisch. Der Angeklagte wurde freigesprochen und verließ erleichtert das Gerichtsgebäude.

Nach Feststellung der Richter war das Ganze ein "typisches Beispiel" dafür, wie ein laut Aktenlage sicher geglaubter Sachverhalt sich am Ende vor Gericht als nicht tragfähig erweisen kann. Damit zu den nüchternen und eindeutig belegten Fakten: In der Nacht des 2. Februar 2013 ging ein Mann über den Schillerplatz in der Nähe des Saarländischen Staatstheaters. Der Passant war trotz der späten Stunden gegen 2.10 Uhr nicht allein - er hatte einen ungewollten Verfolger. Der holte auf, hielt dem Passanten ein Küchenmesser mit einer etwa 15 Zentimeter langen Klinge vor und meinte, dass diese Aktion kein Spaß sei. Der Betroffene leerte daraufhin seine Taschen und gab dem Räuber sein Handy (285 Euro teuer) und 15 Euro Bargeld. Der Angreifer flüchtete. Nur wenige Minuten später war der Betroffene des Überfalls bei der Polizei und berichtete von dem Geschehen. Dabei beschrieb er auch den Räuber, den er kurz unmaskiert gesehen hatte. Motto: Mann um die 30, mittlere Statur, spricht saarländisch, dunkler Trainingsanzug nebst Kapuzenjacke mit weißem Aufdruck. Die Polizei machte sich auf die Suche. Aber der Räuber und seine Beute blieben verschwunden.

Das änderte sich wenige Tage nach dem Überfall. Plötzlich war das gestohlene Handy wieder aktiv. Es wählte sich mehrfach ins Telefonnetz ein, wobei offenbar verschiedene Telefonkarten von verschiedenen Personen benutzt wurden. Dann war das Wechselspiel vorbei und nur noch eine Person nutzte regelmäßig das Handy. Die Polizei machte den Mann ausfindig, durchsuchte dessen Wohnung und fand das Handy sowie einen schwarzen Jogging-Anzug mit weißer, sehr auffälliger und einprägsamer Schrift. Der Fall schien klar zu sein - zumal das Opfer des Raubüberfalls gegenüber der Polizei den Trainingsanzug mit der besonderen weißen Schrift sowie den dazu gehörenden Mann auf Bildern identifizierte. Dass der vermeintliche Räuber die Tat nicht zugab, und das Handy angeblich gebraucht gekauft haben will, schien vor diesem Hintergrund nur eine Notlügen des Beschuldigten zu sein.

Genau danach sah es dann auch zu Beginn des Prozesses vor dem Landgericht aus. Dort schilderte der Passant vom Staatstheater seine nächtlichen Erlebnisse gemäß seiner Erinnerung. Niemand zweifelte an seinen Worten. Und der Mann war sich zunächst auch sicher, dass der Angeklagte der Täter gewesen war und dabei den Trainingsanzug mit genau diesem besonderen Schriftzug getragen hatte. Aber diese Sicherheit des Zeugen nahm Stück für Stück ab. Der Mann begann an sich selbst und seiner Erinnerung zu zweifeln. Da war zum Beispiel dieser weiße Aufdruck auf dem Jogginganzug des Täters. Wenn es genau dieser einprägsame, kurze Schriftzug gewesen war, an den er sich jetzt ganz klar erinnerte, wieso hatte er ihn dann nicht bereits in jener Nacht gegenüber der Polizei erwähnt? Und war sein damaliges Gegenüber wirklich der Angeklagte gewesen? Ganz sicher - es geht schließlich um viele Jahre im Gefängnis? Ehrliche Antwort des Betroffenen am Ende: So ganz sicher sei er sich da jetzt nicht mehr. Und: Es sei in jener Nacht ja alles so schnell gegangen.

Das war es dann. Die Richter stellten fest, dass "der Zeuge mit keiner Silbe gelogen hat" und offen und ehrlich über seine Erinnerungen berichtet habe. Aber diese sei offenbar nicht eindeutig. Nach dieser Aussage vor Gericht und dem Ergebnis der mündlichen Beweisaufnahme bestünden deshalb begründete Zweifel an der Schuld des Anklagten. Die ursprüngliche These zum Ablauf der Tat, die nach und nach durch weitere Indizien scheinbar unterfüttert worden war, sei damit nicht mehr tragfähig. Die verbliebene Tatsache, dass der Angeklagte nach der Tat das Handy des Opfers benutzt hatte, reiche für eine Verurteilung allein nicht aus, so die Richter. Für den Besitz des Handys könne es viele Gründe geben. Der Angeklagte sei deshalb freizusprechen.

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