Urteil in Strafprozess Junger Flüchtling muss nach Messer-Angriff auf Landsmann ins Gefängnis

Saarbrücken · Trauriger Fall: Ein junger Flüchtling kommt ins Saarland und kann bei einem Bekannten wohnen. Aber der junge Syrer wird psychisch krank und greift seinen Landsmann mit einem Messer an. Jetzt stand er deshalb vor Gericht.

 (Symbolbild)

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Foto: dpa/David-Wolfgang Ebener

Saarbrücken. Wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung hat das Landgericht Saarbrücken einen jungen Flüchtling aus Syrien zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Nach Feststellung der Richter hat der Angeklagte im Oktober 2018 einen Bekannten in der gemeinsamen Wohnung mit einem Messer angegriffen und am Hals sowie am Kopf verletzt.

Außerdem habe der heute 24 Jahre alte Mann im Dezember 2018 in seinem Krankenzimmer in der Saarbrücker Sonnenbergklinik sein Bettzeug angezündet. Das Feuer konnte von einem Zeugen gelöscht werden. Der Angeklagte hat beide Taten bestritten. Er hat betont, dass sein Bekannter sich mit dem Messer selbst verletzt habe. Und das Feuer auf seinem Bett in der Klinik sei ein Versehen gewesen. Die Richter folgten dieser Sichtweise nicht. Sie billigten dem 24-Jährigen jedoch verminderte Schuldfähigkeit zu, weil er bei seinen beiden Taten unter einer Psychose gelitten habe und deshalb nicht in vollem Umfang für sein Verhalten verantwortlich gewesen sei.

Nach dem Ergebnis der dreitägigen Beweisaufnahme war der Angeklagte im Sommer 2016 nach Deutschland gekommen. Er ist hier als Flüchtling anerkannt und lebte zunächst in Ostdeutschland. Dort arbeitete er bei einem Bäcker, fühlte sich aber nach eigener Aussage nicht wohl. Er sei deshalb nach Saarbrücken gekommen, um hier zu studieren und ein lebendigeres Leben zu führen. Aber das funktionierte offenbar nicht so, wie von dem jungen Mann erhofft. Er fand zwar eine Bleibe in der Wohnung eines im Saarland voll integrierten Landsmannes – aber beruflich ging es für ihn nicht voran.

Wahrscheinlich auch in Folge eines regelmäßigen Konsums von Cannabis entwickelte der junge Mann eine Persönlichkeitsstörung. Eine psychiatrische Gutachterin schilderte das Ganze als einen regelrechten Baum mit verschiedenen Phänomenen und diagnostischen Möglichkeiten. Das Spektrum reiche von einer Anpassungsstörung im Zuge der geänderten Lebensverhältnisse über eine depressive Störung und eine Schizophrenie mit psychotischen Zügen bis hin zur Diagnose einer dissozialen Persönlichkeit. Im Ergebnis dürfte sich die Wahrnehmung der Realität durch den Angeklagten in Richtung von Wahnvorstellungen verschoben haben. Er habe sich nur noch auf sich selbst und sein Empfinden konzentriert. Er habe zudem jede Menge körperliche Beschwerden entwickelt, für die aber bei einem Rundum-Check in einer Klinik keine körperlichen Ursachen gefundenen worden seien.

Zwischenfazit der Richter: Ab Herbst 2018 sei der Angeklagte definitiv krank gewesen. Er habe unter somatischen Beschwerden ohne organische Ursache gelitten. Er habe gedacht, er sei vergiftet worden. Dafür habe er seinen Mitbewohner verantwortlich gemacht. Als der Mann am 8. Oktober 2018 gegen 13 Uhr nach Hause kam, habe er ihn von hinten mit einem Messer angegriffen und mehrfach zugestochen. Der Geschädigte habe vergebens versucht, sich mit den Händen zu schützen. Er erlitt Schnittverletzungen an Hals, Kopf und den Händen. Sie waren zwar nicht lebensgefährlich. Dennoch blieb der überraschende tätliche Angriff in seiner eigenen Wohnung nicht ohne Folgen. Der Verletzte leidet bis heute unter den psychischen Folgen der Tat.

Kurze Zeit nach dem Angriff mit dem Messer und nach einem gescheiterten Selbstmordversuch kam der Angeklagte in die Sonnenbergklinik. Dort wurde er nach einer gewissen Zeit als nicht mehr akut selbstmordgefährdet eingestuft und in einen weniger stark kontrollierten Bereich verlegt. Was dann geschah, das fasste die Anklageschrift so zusammen: In seinem Zimmer habe der Angeklagte mit einem Feuerzeug ein Handtuch angezündet, das er anschließend auf die Bettdecke legte. Das Bettzeug und Teile der Matratze hätten mit starker Rauchentwicklung Feuer gefangen. Etwa 50 Zentimeter hoch seien die Flammen gewesen. Ein Zeuge habe dies durch die offene Zimmertür gesehen und mit Wasser sowie einer Decke den Brand gelöscht. Unterdessen habe der Angeklagte mit dem Rücken an der gegenüberliegenden Wand auf dem Boden gesessen und das Geschehen beobachtet.

Warum er dies getan hat, ist vor Gericht unklar geblieben. Der Angeklagte hat dazu nichts gesagt. Er wurde kurz nach dem Vorfall vorläufig in die forensische Psychiatrie für Straftäter verlegt. Von dort aus wurde er nach Verkündung des Urteils in die Justizvollzugsanstalt gebracht. Dort soll er den Rest seiner Strafe verbüßen – die Zeit der Unterbringung in der Forensik wird dabei angerechnet. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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