Frühere Chefs von Glasfabrik zu Bewährungsstrafen verurteilt

Saarbrücken/St. Ingbert · Als der Glashersteller Enrotherm in Schieflage geriet, steckten seine Geschäftsführer ihr privates Geld ins Unternehmen. Trotzdem wurde die Firma zahlungsunfähig. Aber statt einer geordneten Insolvenz versuchten die beiden Chefs eine illegale „Firmenbestattung“.

 SymbolbildLocation:Karlsruhe

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Foto: dpa/Uli Deck

Wegen Insolvenzverschleppung und Bankrotts hat das Landgericht die beiden früheren Geschäftsführer der Firma Enrotherm in St. Ingbert zu Gefängnisstrafen von 18 sowie 22 Monaten auf Bewährung verurteilt. Nach Feststellung des Gerichts hatten die Ex-Gesellschafter des Herstellers von Spezialglas trotz Zahlungsunfähigkeit ab 2012 keine Insolvenz angemeldet. Stattdessen wollten sie sich Anfang 2013 ihrer Haftung mittels einer illegalen "Firmenbestattung" entziehen.

Die beiden 44 und 65 Jahre alten Gesellschafter-Geschäftsführer hatten bis dahin offenbar alles versucht, um ihre Firma zu retten. Sie hatten nach Feststellung des Gerichts sogar Teile ihres Privatvermögens in das Unternehmen gesteckt, das sie im Jahr 2006 übernommen hatten. Aber der ganze Betrieb war offensichtlich über Jahre nicht wirklich profitabel. Oder mit den Worten des heutigen Insolvenzverwalters: "Firmen gehen schleichend in die Insolvenz." Irgendwann sei nicht genug Geld da, um die Produktionsmaschinen zu modernisieren. Dann würde die Qualität der Produkte leiden, die Kosten würden aus dem Ruder laufen. Am Ende seien bei Enrotherm die Maschinen veraltet gewesen, es habe einen großen Reparaturstau gegeben und die Leistungen seien oft mangelhaft gewesen. Sein Fazit: "Ich denke, dass die Insolvenz nicht abzuwenden war."

Die beiden Geschäftsführer wollten das offenbar nicht wahrhaben. Sie kämpften um ihren Traum vom eigenen Unternehmen und stopften vorhandene Finanzlöcher mit eigenem Geld. Das Ganze dürfte etwa im Jahr 2008 angefangen haben. Damals häuften sich die Mahnungen von Zulieferer-Betrieben und auch vom Finanzamt. Aber "Enrotherm hat bis zuletzt seine Rechnungen bezahlt", sagte eine frühere Mitarbeiterin. Wenn auch in Raten. Ein Gutachter nahm die entsprechenden Zahlen genau unter die Lupe. Sein Ergebnis: In den Jahren 2007/2008 habe es mit Rückständen beim Finanzamt und bei der Berufsgenossenschaft angefangen. Aber die Gesellschafter hätten immer wieder Geld zugeschossen - im Ergebnis mehrere Hunderttausend Euro über die Jahre 2009, 2010 und 2011. Aber dann wurde es im Jahr 2012 kritisch. Die Kreditlinien bei den Banken waren erschöpft und sogar der Firmen-LKW war verkauft und durch in billigeres Leasingauto ersetzt worden. Die Krankenversicherungen wollten Geld, die Kfz-Versicherung auch, Lastschriftbuchungen und Schecks kamen zurück. Fazit des Gutachters: Seit 2008 war den Verantwortlichen bekannt, dass die Firma finanzielle Probleme mit Handlungsbedarf hat. Und spätestens am 30. Juni 2012 sei das offensichtlich gewesen.

Aber die beiden Geschäftsführer konnten nicht aufhören und zum Insolvenzgericht gehen. Dazu erzählte einer der beiden vor Gericht: Die Zahlungsprobleme, die Qualitätsmängel, die rückläufigen Umsätze - all dies sei ihnen klar gewesen. Aber ihr Ziel sei gewesen, den Betrieb fortzuführen. Ihr Ziel sei die Anschaffung von neuen Produktionsanlagen gewesen. Also hätten sie mit möglichen Investoren und den Banken geredet - ohne Erfolg, keiner wollte der Firma Geld geben.

Also hätten sie im Internet gesucht. Und dort seien sie fündig geworden. Bei einer Berliner Finanzberatung, die professionelle Hilfe für angeschlagene Unternehmen anbietet. Daraufhin wurde der Glashersteller via notarieller Urkunde über Vermittlung einer Schweizer Investmentfirma an eine GmbH in Bayern verkauft, umbenannt und an neuem Firmensitz von einer neuen Geschäftsführerin geführt. Als Vermittlungshonorar und zum Inkasso wurden sämtliche Forderungen von Enrotherm an die Schweizer Aktiengesellschaft übertragen. Diese sollte das Geld eintreiben und einen Teil davon an eine neu zu gründende Firma der beiden früheren Enrotherm-Chefs überweisen. Damit sollte ein Neuanfang ohne Altschulden versucht werden.

Am Aschermittwoch 2013 wurden daraufhin alle Mitarbeiter der Glasfabrik am (alten) Standort in St. Ingbert von der neuen Chefin entlassen. Nach entsprechenden Berichten unserer Zeitung flog die ganze Sache auf, einer der (Noch) Enrotherm-Geschäftsführer stellte Insolvenzantrag und die geordnete Abwicklung der Firma kam in die Hände des Insolvenzverwalters.

Fazit der Geschichte: Rund 40 Arbeitsplätze gingen in St. Ingbert verloren. Etwa 210 000 Euro in der Insolvenzmasse von Enrotherm stehen 2,3 Millionen Euro an Forderungen gegenüber. Einer der beiden Ex-Geschäftsführer des Glasherstellers ist in Privatinsolvenz, der andere steht nach eigener Aussage kurz vor diesem Schritt. Beide wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt. Außer den Ex-Chefs des Glasherstellers standen drei weitere Angeklagte vor Gericht. Ergebnis: Der vorbestrafe Geschäftsführer der Berliner Finanzberatung soll wegen Beihilfe zum Bankrott für 18 Monate ins Gefängnis. Gegen zwei seiner Mitarbeiter wurden Bewährungsstrafen von neun und zehn Monaten verhängt.

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