Richter urteilen gegen Raser Tempo 200: Raser setzt Leihwagen in die Leitplanken und muss trotz Vollkasko selbst bezahlen

Nürnberg · Wer über die Autobahn rast, der sollte nicht neugierig sein und am Infosystem den Verbrauch oder die Reichweite des Autos checken. Denn das lenkt ab. Und wenn es deshalb knallt, ist der Ärger groß.

 Ein Autobahnabschnitt ohne Tempolimit. Symbolfoto.

Ein Autobahnabschnitt ohne Tempolimit. Symbolfoto.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Böse Falle für einen Freund schneller Autos. Der Mann hatte einen Leihwagen bei Tempo 200 in die Leitplanken gesetzt. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat daraufhin festgestellt, dass ein Autofahrer grob fahrlässig handelt, wenn er sich bei Tempo 200 auf der Autobahn nicht voll auf das Verkehrsgeschehen konzentriert, sondern seine Aufmerksamkeit – wenn auch nur kurz – auch auf das Infotainmentsystem des Wagens richtet. Der Autofahrer muss deshalb nun trotz Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung fast 12 000 Euro aus eigener Tasche zahlen.

Der Mann hatte bei einer Autovermieterin einen Mercedes-Benz CLS 63 AMG vermietet. Zwischen den Vertragspartnern war eine Haftungsbeschränkung ohne Selbstbeteiligung für den Fall einer Beschädigung des mehr als 500 PS starken Mietfahrzeuges vereinbart worden. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Vermieterin ist zudem geregelt, dass diese berechtigt ist, zumindest teilweise Regress zu nehmen, wenn der Schaden am Mietfahrzeug grob fahrlässig herbeigeführt wurde.

Und genau das war nach Überzeugung des Oberlandesgerichts Nürnberg im konkreten Fall passiert. Demnach fuhr der Betroffene im April 2015 mit dem gemieteten Auto mit einer Geschwindigkeit von 200 Stundenkilometern auf der linken Spur der Autobahn. Währenddessen bediente er das Infotainment System des Fahrzeugs, um dort Infos abzurufen. Er geriet dabei mit dem Auto nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke, wodurch der Wagen stark beschädigt wurde. Die Autovermieterin ist der Auffassung, dass der Mieter grob fahrlässig gehandelt hat. Sie nimmt daher Regress in Höhe von 50 Prozent des entstandenen Unfallschadens.

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat der Klägerin in zweiter Instanz Recht gegeben. Es hat den Autofahrer verurteilt, an die Klägerin 11.947,69 Euro zu zahlen. Der Senat ist der Auffassung, dass der Mann grob fahrlässig gehandelt hat und der Vermieterin daher ein Schadensersatzanspruch zustehe. Begründung: Der Beklagte habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt. Er habe die Autobahn mit einer Geschwindigkeit von 200 Kilometern die Stunde befahren; dies beinhalte ein sehr hohes Gefahrenpotential. Schon minimale Fahrfehler könnten bei diesem Tempo typischerweise zu schweren Unfällen führen. In nahezu allen anderen Staaten der Welt seien derartige Geschwindigkeiten auf öffentlichen Straßen daher verboten. In Deutschland fehle zwar ein derartiges klares Verbot, es gelte aber die Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung. Diese gebe vor, dass bei höheren Geschwindigkeiten die Unfallgefahren selbst unter Idealbedingungen so erheblich zunehmen, dass diese höheren Geschwindigkeiten bei verantwortungsbewusster Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr nicht gefahren werden sollten.

Ein Verkehrsteilnehmer, welcher sein Fahrzeug mit höherer Geschwindigkeit als 130 Kilometern pro Stunde führe, müsse daher in besonderer Weise seine volle Konzentration auf das Führen des Fahrzeuges richten, so das Oberlandesgericht. Je stärker die Richtgeschwindigkeit überschritten werde, desto höher seien die Anforderungen an die Konzentration des Fahrzeugführers. Dies gelte insbesondere bei Tempo 200. Hier seien der Anhalteweg und die kinetische Energie bei einer Kollision gegenüber einer Geschwindigkeit von 130 Stundenkilometern mehr als verdoppelt. Im konkreten Fall habe der Autofahrer trotz der bei Tempo 200 erforderlichen vollsten Konzentration auf das Fahrgeschehen und der drohenden schweren Unfallfolgen schon bei geringfügiger kurzzeitiger Ablenkung das Infotainment System bedient. Dies habe seine Aufmerksamkeit zumindest für Sekunden voll gebunden. Dieses Verhalten stelle eine objektiv schwere und unentschuldbare Pflichtverletzung dar und sei grob fahrlässig. Der Mann müsse deshalb zahlen (Az.: 13 U 1296/17).

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