Wichtiges Urteil zum Erbrecht Ehepaar-Testament zu Gunsten „gemeinsamer Abkömmlinge“ umfasst auch die Enkelkinder

Oldenburg · Viele Menschen regeln ihren Nachlass per Testament. Dabei sollte jeder benutzte Begriff genau durchdacht und eventuell sogar rechtlich abgeklärt werden. Sonst kann es Probleme geben.

 Viele Menschen regeln ihren Nachlass in einem Testament. Symbolfoto.

Viele Menschen regeln ihren Nachlass in einem Testament. Symbolfoto.

Foto: dpa-tmn/Frank May

Es gibt Fachbegriffe, die auf den ersten Blick ganz einfach und klar aussehen. Aber bei genauem Hinsehen entpuppen sie sich als Problemfall, den man so oder auch ganz anders auslegen kann. Genau das ist im Fall eines Ehepaares passiert, das sich vor Jahren in einem gemeinsamen Testament zunächst gegenseitig als Erben eingesetzt hat - und danach seine „gemeinschaftlichen Abkömmlinge“.

Aber wer fällt unter diesen Begriff? Sind es nur die Kinder des Paares? Oder auch die Enkel? Und was ist mit den Urenkeln? Der Auslegungsstreit musste letztlich von der Justiz entscheiden werden. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat dazu klargestellt, dass mit dem Begriff „Abkömmlinge“ alle direkten Nachfahren des Ehepaares gemeint sind - also dessen Kinder, Enkel, Urenkel und so weiter. Wenn jemand bei seinem Testament dieses weite Ergebnis nicht haben wolle, dann dürfe er diesen Begriff so nicht verwenden und müsse ihn durch konkrete Angaben wie Kinder, Enkel, Urenkel oder andere ersetzen. Damit wäre der Fall klar und spätere Streitigkeiten könnten vermeiden werden.

Dazu stellt das Oberlandesgericht ausdrücklich klar: „Wenn Ehegatten ein gemeinsames Testament verfassen, bedenken sie sich häufig zunächst einmal gegenseitig. Nach dem Tod des Letztversterbenden sollen dann häufig die Kinder erben, manchmal auch die Enkel – oder eine ganz andere Person oder Einrichtung. Dies alles kann man in einem Testament festlegen. Tut man es nicht, so gilt die gesetzliche Erbfolge, also die Rechtslage nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Wenn man aber ein Testament verfasst, sollte man es eindeutig fassen. Denn nach der Erfahrung gibt es mit der Auslegung von Testamenten immer wieder Schwierigkeiten.“

So wie im konkreten Fall: Dort hatten sich die Eheleute in einem notariellen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Erben des Letztversterbenden sollten „unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge zu gleichen Anteilen“ sein. Der Überlebende sollte allerdings auch die Erbfolge „unter den gemeinschaftlichen Abkömmlingen abändern“ können. Genau diese Regelung zur Änderung der Erbfolge wurde nach dem Tod des Mannes zum Problem. Die überlebende Ehefrau setzte nämlich in einem zweiten Testament ihre eine Tochter und deren Sohn zu ihren Erben ein. Die andere Tochter blieb außen vor. Sie hielt diese Vorgehensweise für rechtlich nicht möglich. Denn die Eheleute hätten verfügt, nur die „gemeinschaftlichen Abkömmlinge“ könnten als Eben eingesetzt werden. Unter „gemeinschaftliche Abkömmlinge“ seien aber nur die gemeinsamen Kinder zu verstehen. Eine Erbeinsetzung des Enkelsohns sei also nicht möglich. Deswegen sei die Erbeinsetzung in dem zweiten Testament der überlebenden Ehefrau unwirksam. Erben seien – nach dem ersten, gemeinsamen Testament – daher weiterhin alle Kinder der Eheleute. Das Landgericht Osnabrück gab der betroffenen Tochter und Klägerin Recht. Es entschied in erster Instanz: Erben seien die gemeinsamen Kinder der Eheleute geworden. Die Einsetzung des Enkelsohns durch die Ehefrau sei nach dem gemeinsamen Testament nicht möglich gewesen.

Gegen diese Entscheidung wehrten sich die von der Ehefrau eingesetzte Tochter und deren Sohn mit ihrer Berufung zum Oberlandesgericht. Sie vertraten die Auffassung, das Testament der Ehefrau sei wirksam. Sie hätte auch den Enkel einsetzen dürfen. Mit dieser Argumentation hatten die beiden in zweiter Instanz vor den Oberlandesgericht Erfolg. Begründung: Das Wort „Abkömmlinge“ sei nicht allein auf Kinder beschränkt. „Abkömmlinge“ beinhalte auch Enkel, Urenkel und so weiter. Dies ergebe sich bereits grundsätzlich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, wo dieser Fachbegriff entsprechend benutzt werde.

Diese Auslegung gelte auch im konkreten Fall, so die Richter weiter. Wenn aus Sicht der Erblasser beim Verfassen ihres Testaments lediglich Kinder als Erben gemeint gewesen seien, dann hätten die Eheleute auch den Begriff „Kinder“ gewählt. Dies hätten sie aber nicht getan. Sie hätten den Begriff „Abkömmlinge“ benutzt. Insoweit sei es auch plausibel, dass die Eheleute alle ihre zum Zeitpunkt des Erbfalls lebenden Abkömmlinge – ob Kinder, Enkel oder Urenkel – gleich behandeln wollten. Denn häufig hätten die eigenen Kinder beim Tod der Eltern bereits eine gefestigte Lebensstellung, während die Enkel und gegebenenfalls die Urenkel sich noch ihr eigenes Lebensumfeld schaffen müssten und eher finanzielle Unterstützung durch das Erbe nötig hätten. Hier sei auch nachvollziehbar, dass die Eheleute alle Abkömmlinge gleich behandeln wollten und der Umfang des Erbes der einzelnen Enkelkinder nicht davon abhängen sollte, ob ihre Eltern noch lebten und wie viele Geschwister sie jeweils hätten. (Oberlandesgericht Oldenburg, Az.: 3 U 24/18).

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