Strahlendes Lächeln: Zahnarzt muss zuerst das medizinisch Nötige tun

Hamm · Wenn die vorderen Zähne schlecht aussehen, ist ein strahlendes Lächeln nicht zu machen. Eine Frau wollte deshalb von ihrem Zahnarzt im Zuge einer umfassenden Behandlung zuerst eine Sanierung der Frontzähne. Der Arzt machte mit - ein Fehler.

Ärzte müssen zwar den Willen ihrer Patienten respektieren. Aber die medizinischen Notwendigkeiten gehen vor. Verlangt ein Patient also eine Behandlung, die gegen medizinischen Standard verstößt, muss ein Arzt diese ablehnen. Tut er dies nicht, dann nützt ihm auch eine eingehende vorherige Beratung nichts. Eine solche Aufklärung über die möglichen Behandlungsfolgen legitimiert nämlich kein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen. Das hat das Oberlandesgericht Hamm grundsätzlich klargestellt.

Damit gaben die Richter einer fünfzig Jahre alten Klägerin aus Herne im Ergebnis Recht. Die Frau hatte sich etwa eineinhalb Jahre lang vom beklagten Zahnarzt behandeln lassen. Sie war mit einer durch einen anderen Arzt eingegliederten Krone im Seitenzahnbereich unzufrieden und äußerte den Wunsch nach einer Sanierung ihrer Frontzähne. Der neue Zahnarzt stellte bei der Untersuchung in ihrer Funktion gestörte Kiefergelenke fest, eine CMD (craniomandibuläre Dysfunktion). Diese wollte er zunächst mit einer Aufbissschiene therapieren, sodann die Seitenzähne stabilisieren, um erst anschließend mit der Sanierung der Frontzähne zu beginnen.
Aber auf Wunsch der Klägerin - so die Darstellung des Zahnarztes - begann er vorzeitig mit der Sanierung der Frontzähne. Ein Fehler. Infolge dieser Behandlung bekam die Frau Probleme mit der Bisshöhe und den Kiefergelenken. Sie verklagte den Zahnarzt wegen fehlerhafter Behandlung auf 25 000 Euro Schmerzensgeld, 17 300 Euro Schadensersatz und auf Rückerstattung des Arzthonorars von 3750 Euro.

Das Landgericht in erster Instanz und der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm in zweiter Instanz gaben der Frau dem Grunde nach Recht. Die Klägerin habe, so der Senat, unter einer CMD geglitten. Diese habe der Beklagte zunächst auch fachgerecht therapieren wollen. Hiervon habe er sich aber abbringen lassen und die notwendige Schienentherapie nicht im erforderlichen Umfang durchgeführt. Die endgültige Frontzahnsanierung habe er behandlungsfehlerhaft zu früh begonnen. Hierdurch sei die Bisshöhe falsch festgelegt worden, es habe sich eine Kompression der Kiefergelenke eingestellt, die durch die weitere Behandlung nicht beseitigt worden sei.

In diesem Zusammenhang könne sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass die Klägerin ein Vorziehen der Frontzahnsanierung ausdrücklich verlangt habe. Selbst wenn man ein solches Verlangen unterstelle, verstoße die gewünschte Behandlung gegen den medizinischen Standard und habe vom Beklagten abgelehnt werden müssen, so das Oberlandesgericht. Auch eine eingehende ärztliche Belehrung über die möglichen Behandlungsfolgen legitimiere kein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen. Im Übrigen habe der Beklagte auch nicht hinreichend dargelegt, die Klägerin eindringlich auf die dauerhaften Beeinträchtigungen und Auswirkungen einer perpetuierten CMD hingewiesen zu haben. Die Klägerin habe zudem Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Zahnarzthonorars. Die Leistung des Beklagten sei insgesamt unbrauchbar gewesen und könne bei der künftigen zahnärztlichen Behandlung der Klägerin keine Verwendung finden. Das Grundurteil ist rechtskräftig. Über die Höhe der Ansprüche der Klägerin muss noch vom Landgericht entschieden werden. (Az.: 26 U 116/14)

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