Rechts-Tipp der Woche Stalking: Wenn der Kollege aufdringlich wird, dann riskiert er eine fristlose Kündigung

Erfurt · Wer auf der Arbeit einer Kollegin oder einem Kollegen gegen deren Willen nachstellt, der riskiert seine berufliche Existenz. Unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit kann das so genannte "Stalking" nämlich eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

 Eine typische SMS eines Stalkers auf einem Smartphone. Symbolfoto.

Eine typische SMS eines Stalkers auf einem Smartphone. Symbolfoto.

Foto: dpa/Jens B¬attner

Erfurt. Arbeitnehmer sind nicht nur verpflichtet, ihre Arbeit zu tun. Sie haben auch eine Reihe vertraglicher Nebenpflichten zu beachten, die nicht zwingend schriftlich im Arbeitsvertrag niedergelegt zu sein brauchen. Eine dieser Nebenpflichten, die sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen und Vorschriften wie dem Strafgesetzbuch ergibt, ist die Verpflichtung, die Privatsphäre der Kollegen und Kolleginnen zu respektieren.

Dazu gehört es auch, dass man den ausdrücklichen Wunsch einer Kollegin oder eines Kollegen achtet, die keinen nichtdienstlichen Kontakt wünschen. Ein schwerwiegender Verstoß eines Arbeitnehmers gegen diese vertragliche Nebenpflicht, die Privatsphäre und den erklärten Willen der anderen zu respektieren, kann deshalb die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Ob es zuvor einer einschlägigen Abmahnung des Angestellten bedarf, hängt nach Feststellung der Richter von den Umständen des Einzelfalls ab (Az.: 2 AZR 258/11). Das gilt auch mit Blick auf eine mögliche Strafbarkeit wegen Nachstellung. Laut Strafgesetzbuch wird jemand mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, der einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung schwerwiegend zu beeinträchtigen.

Doch zurück zum Arbeitsrecht. Der Kläger im konkreten Fall war beim Land Hessen seit 1989 als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Im Jahr 2007 gab es gegen ihn eine Beschwerde nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Daraufhin teilte das Land ihm als Ergebnis mit, dass eine Mitarbeiterin, die sich von hm belästigt fühlte, weder dienstlich noch privat Kontakt mit ihm wünsche und dieser Wunsch vorbehaltlos zu respektieren sei. Eine unmittelbare Kontaktaufnahme mit der Mitarbeiterin habe "auf jeden Fall zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen zu unterbleiben".

Im Oktober 2009 gab es die nächste Beschwerde. Diesmal wandte sich eine andere, als Leiharbeitnehmerin beschäftigte Mitarbeiterin an das beklagte Land und gab an, sie werde vom Kläger in unerträglicher Art und Weise belästigt und bedrängt. Nach näherer Befragung der Mitarbeiterin und Anhörung des Klägers kündigte das Land das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Es behauptet, der Kläger habe der Mitarbeiterin gegen deren ausdrücklich erklärten Willen zahlreiche E-Mails geschickt, habe sie ohne dienstlichen Anlass in ihrem Büro angerufen oder dort aufgesucht und sich wiederholt und zunehmend aufdringlich in ihr Privatleben eingemischt. Um sie zu weiterem privaten Kontakt mit ihm zu bewegen, habe er ihr unter anderem damit gedroht, er könne dafür sorgen, dass sie keine feste Anstellung beim Land bekomme.

Der Arbeitnehmer klagte gegen seine Kündigung. Das Arbeitsgericht hat seine Kündigungsschutzklage daraufhin abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat der Klage jedoch in zweiter Instanz stattgegeben, weil der Mitarbeiter vor der Kündigung nicht abgemahnt worden war. Dagegen wehrte sich das Land mit der Revision zum Bundesarbeitsgericht. Mit Erfolg. Die Bundesrichter verwiesen die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück. Begründung: Zwar fehle eine eigentlich erforderliche Abmahnung. Das Gericht zweiter Instanz habe aber nicht ausreichend geprüft, ob angesichts der Warnung durch das zuvor durchgeführte Beschwerdeverfahren und der übrigen Umstände eine Abmahnung im konkreten Fall entbehrlich war. Denn abhängig von den konkreten Umständen könne eine fristlose Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung zulässig sein. Dies gelte insbesondere dann, wenn es sich um eine schwerwiegende Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten handele oder wenn mit einer Veränderung im Verhalten des Arbeitnehmers nicht zu rechnen sei. So weit das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2012. Die damals aufgestellten Grundsätze zum Umgang mit Stalking am Arbeitsplatz gelten bis heute.

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