Hebamme muss nach risikoreicher und tödlicher Hausgeburt in Haft

Karlsruhe · Niemand macht immer alles richtig. Und bei Ärzten oder Hebammen können Fehler tödlich sein. So wie im Fall einer Hebamme, der bei einer riskanten, 18 Stunden Hausgeburt das Baby gestorben ist. Sie muss nun ins Gefängnis.

 Die Statue Justizia ist im Amtsgericht in Hannover zu sehen. (Symbolbild)Location:Hannover

Die Statue Justizia ist im Amtsgericht in Hannover zu sehen. (Symbolbild)Location:Hannover

Foto: Peter Steffen (dpa)

Eine 62 Jahre alte Hebamme und Ärztin muss nach einer riskanten und tödlich verlaufenden Hausgeburt in einem Hotelzimmer ins Gefängnis. Der Bundesgerichtshof hat das entsprechende Urteil des Landgerichts Dortmund bestätigt und die Revision der Angeklagten verworfen (Az.: 4 StR 428/15). Damit ist das Urteil des Landgerichts rechtskräftig. Die Strafrichter erster Instanz hatten die Angeklagte wegen Totschlags durch Unterlassen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt und gegen die Frau ein lebenslanges Berufsverbot als Ärztin sowie Hebamme verhängt. Außerdem sprach das Gericht den Eltern des Tatopfers einen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld zu.

Nach Feststellung des Landgerichts ist die Hebamme und approbierte Ärztin eine Verfechterin der Hausgeburt und bezeichnet sich selbst als Spezialistin für Beckenendlagen. Im Jahr 2008 übernahm sie die Betreuung einer Schwangeren, bei der eine Beckenendlage des Kindes festgestellt worden war. Wegen der bei dieser Kindslage deutlich häufiger auftretenden Komplikationen und der gegebenenfalls eintretenden Erforderlichkeit eines Notkaiserschnitts soll nach den berufsrechtlichen Vorschriften der Hebammen und den Leitlinien zur außerklinischen Geburtshilfe in einem solchen Fall die Geburt nur unter klinischen Bedingungen erfolgen. Obwohl die Angeklagte dies wusste, riet sie den aus dem Ausland angereisten Eltern zu einer Hausgeburt. Dies tat sie, obwohl die Eltern der Angeklagten deutlich gemacht hatten, dass sie trotz der gewünschten außerklinischen Geburt kein Risiko für das Kind eingehen wollen und bei Komplikationen auch mit einem Kaiserschnitt einverstanden seien. Auf Grund des von ihr verfolgten Entbindungskonzepts einer "natürlichen Geburt" und unter Verharmlosung der Geburtsrisiken habe die Angeklagte dennoch uneingeschränkt zu einer Hausgeburt geraten, so die Richter.

Die Geburt erfolgte schließlich in einem Hotelzimmer in der Nähe der Praxis der Angeklagten. Obwohl die 62-Jährige von der Mutter eine Stunde nach dem Sprung der Fruchtblase vom Beginn der Geburt benachrichtigt worden war, suchte sie die Eltern erst auf, als die Wehen bereits fast 12 Stunden andauerten. Als sich die Geburt nach dem Eintreffen der Angeklagten weiterhin verzögerte und es zum Geburtsstillstand kam, vergrößerte sich die Gefahr einer lebensgefährlichen Sauerstoffmangelversorgung des Kindes stetig. Dennoch veranlasste die Angeklagte in Kenntnis der Gefahr für das Leben des Kindes nicht die Beendigung der außerklinischen Geburt und die Verlegung in ein nahe gelegenes Krankenhaus. Das Kind wurde schließlich nach insgesamt 18-stündigem Geburtsvorgang auf Grund Sauerstoffmangels unter der Geburt sterbend geboren. Es starb kurz nach der Geburt.

Fazit der Richter: Hätte die Angeklagte noch bis vier Stunden vor der Geburt die Verlegung der Kindsmutter in ein Krankenhaus veranlasst, so wäre das Kind durch einen Kaiserschnitt lebend und gesund geboren worden. Selbst wenn eine solche Maßnahme erst eineinhalb Stunden vor der Geburt ergriffen worden wäre, hätte das Leben des Kindes noch gerettet werden können. All dies war der Angeklagten bewusst. Sie sei deshalb verpflichtet gewesen, die erforderlichen Schritte einzuleiten. Weil sie dies nicht getan habe, sei sie wegen Totschlags durch Unterlassen zu verurteilen (LG Dortmund, Az. 37 Ks 3/11 (161 Js 173/08). wi

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