Hartz IV: Sozialamt muss Kosten für Besuch der Kinder übernehmen

Kassel · Es gibt keine Regel, wonach Empfänger von Hartz IV bis zu zehn Prozent der Sozialleistungen für den Umgang mit ihren Kindern ausgeben müssen. Das hat das Bundessozialgericht klargestellt.


Die Empfänger von Hartz IV haben unter Umständen Anspruch darauf, dass die Kosten für den Umgang mit ihren getrennt lebenden Kindern vom Jobcenter übernommen werden. Insoweit gibt es keine Bagatellgrenze von zehn Prozent des Regelbedarfs für die Umgangskosten, bis zu deren Höhe der Hilfeberechtigte selbst zahlen muss. Das hat das Bundessozialgericht deutlich gemacht. Die obersten deutschen Sozialrichter konkretisierten damit ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2010. Danach haben die Empfänger von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) einen speziellen Anspruch auf Sozialleistungen für einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf. Dieser Anspruch wurde mittlerweile auch ausdrücklich ins Sozialgesetzbuch geschrieben.

Einen solchen Anspruch hatte der Kläger im konkreten Fall für den Monat Juli 2010 geltend gemacht. Es ging dem Mann um die Ausübung des Umgangsrechts (alle 2 Wochen) mit seiner im Jahr 2006 geborenen Tochter. Das Mädchen lebte aber nicht bei ihm, sondern in 17 Kilometern Entfernung bei der Mutter. Das Jobcenter lehnet den Antrag jedoch ab. Es meinte, bei einer Entfernung von 17 Kilometern und zwei Besuchen mit Hin- und Rückfahrt im Auto pro Monat seinen das zwei Mal 38 Kilometer also insgesamt 68 Kilometer. Bei einer Pauschale von 0,20 Euro je Entfernungskilometer ergebe sich so ein Betrag von 13,60 Euro im Monat. Dieser Betrag liege unter der Bagatellgrenze von zehn Prozent des monatlichen Regelbedarfs - damals 359 Euro.

Der Betroffene zog vor Gericht und bekam vor dem Sozial- und dem Landessozialgericht Recht. Die Richter rechnteten anders als das Jobcenter. Sie kamen auf insgesamt 68 Kilometer pro Besuch (Hinfahrt, Kind abholen, Rückfahrt und dann erneute Hinfahrt, Kind zurückbringen, Rückfahrt). Das ergibt 136 Kilometer im Monat. Sie haben dem Mann deshalb 27,20 Euro pro Monat bei einer Pauschale von 0,20 Euro pro Kilometer zugesprochen.
Das Bundessozialgericht hat diese Argumentation bestätigt: Der Kläger habe, wie alle Eltern, die Arbeitslosengeld II beziehen, grundsätzlich Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen der Kosten des Umgangsrechts mit seiner von ihm getrennt lebenden Tochter. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und dem Gesetz. Der Anspruch setze zwar einen vom durchschnittlichen Bedarf erheblich abweichenden Mehrbedarf voraus. Ein solcher Bedarf sei aber gegeben, wenn für die Fahrten zur Ausübung des Umgangsrechts jeweils 68 Kilometer mit einem Auto zurückgelegt werden müssen und das Umgangsrecht alle zwei Wochen besteht. Denn selbst wenn nur eine Kilometerpauschale von 20 Cent wie nach dem Bundesreisekostengesetz zu Grunde gelegt werde, ergebe sich bereits ein Betrag von 27,20 Euro pro Monat. Dies sei eine erhebliche Abweichung vom durchschnittlichen Bedarf nach der Regelleistung von damals 359 Euro. Und es sei eine erhebliche Abweichung von dem in dieser Regelleistung enthaltenen Betrag für Fahrtkosten von hochgerechnet gut 20 Euro. Zumal dort die Kosten für ein eigenes Auto noch nicht enthalten seien.

Die Bundesrichter weiter: Eine Rechtsgrundlage für die von dem Jobcenter vertretene allgemeine Bagatellgrenze sei nicht zu erkennen. Es gebe zwar eine entsprechende Grenze für die Rückzahlung von Darlehen durch die Empfänger von Sozialleistungen. Eine Heranziehung dieser Zehn-Prozent-Regelung scheide aber ansonsten aus. Bei einem Darlehen hätten die Betroffenen das Geld vorher erhalten, das sie dann ans Jobcenter zurückzahlen. Bei einer Bagatellgrenze wäre das anders. Hier würde den Betroffenen Geld vorenthalten, obwohl sie darauf Anspruch haben (Az.: B 14 AS 30/13). wi

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