Gericht entscheidet über Erbrecht Ältere Dame setzte Haushälterin per Testament als Alleinerbin ein: Dann will sie das wieder ändern

Köln · Jeder kann seinen Nachlass handschriftlich per Testament regeln. Das Ganze kann mit einem neuen Testament oder per Zerstörung des alten geändert werden. Aber was gilt, wenn jemand zwei Originale von einem Testament schreibt und nur eines davon zerreißt?

 Testamente müssen eigenhändig geschrieben werden. Symbolfoto.

Testamente müssen eigenhändig geschrieben werden. Symbolfoto.

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Das Oberlandesgericht Köln musste sich mit einem kniffeligen Fall aus dem Erbrecht befassen. Es ging um den Nachlass einer älteren Dame, die zu Gunsten ihrer Haushälterin ein Testament in doppelter Ausführung verfasst hatte. Danach war der gesetzliche Erbe, der Urenkel der Seniorin, außen vor. Eines dieser Originale zerstörte die 90-Jährige jedoch vor ihrem Tod. Damit stellte sich die Frage, wer eigentlich Erbe wird, wenn die Erblasserin nur eines von zwei Original-Testamenten zerrissen hat. Antwort der Richter: Existieren zwei Originale eines Testaments, genügt die Vernichtung nur eines der beiden Dokumente, wenn der Aufhebungswille der Erblasserin feststeht. In diesem Fall komme die gesetzliche Erbfolge zum Zug und der Urenkel sei Erbe.

Die im Landgerichtsbezirk Bonn wohnhafte Erblasserin hatte zunächst ihren Urenkel als Erben eingesetzt. Später verfasste sie jedoch ein handschriftliches Testament, mit dem anstelle des Urenkels ihre Haushälterin zur Alleinerbin bestimmt wurde. Außerdem erteilte sie der Haushälterin eine Vorsorge- und Bankvollmacht und verkaufte dieser - gegen einen Barkaufpreis sowie eine Betreuungs- und Pflegeverpflichtung - ihr Hausgrundstück. Nachdem die Haushälterin mit Hilfe der Bankvollmacht zu Lebzeiten der älteren Dame 50.000 Euro von deren Konto abgehoben hatte, widerrief diese die Vollmacht. Sie suchte außerdem einen Rechtsanwalt auf, um sich wegen einer möglichen Rückabwicklung des Kaufvertrags über das Haus beraten zu lassen.

Wenig später starb die ältere Dame. Das Nachlassgericht hatte daraufhin zu entscheiden, ob dem Urenkel ein Erbschein erteilt werden kann. Dem Gericht lag ein Original des Testaments zu Gunsten der Haushälterin vor, welches der Rechtsanwalt der Haushälterin übersandt hatte. Der Urenkel behauptete dagegen, die Erblasserin habe das Testament widerrufen. Es habe ein zweites Original des Testaments gegeben. Dieses habe seine Urgroßmutter im Rahmen der Beratung zur Rückabwicklung des Hauskaufs ihrem Rechtsanwalt gezeigt und es vor seinen Augen zerrissen. Deshalb gelte wieder die frühere Erbeinsetzung zu seinen Gunsten, so das Fazit der Urenkels.

Nach Vernehmung der Rechtsanwälte der Erblasserin und der Haushälterin als Zeugen kam das Nachlassgericht zu dem Ergebnis, dass der Urenkel Alleinerbe geworden und ihm ein Erbschein zu erteilen ist. Die Haushälterin wollte diese Entscheidung nicht akzeptieren und legte dagegen Beschwerde ein. Diese hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts zurückgewiesen. Zur Begründung verweist der Senat darauf, dass der Erblasser ein Testament jederzeit ohne besonderen Grund widerrufen könne (§ 2253 BGB). Dieser Widerruf könne zum Beispiel durch Vernichtung der Testamentsurkunde erfolgen (§ 2255 Satz. 1 BGB). Sofern mehrere Originale (Urschriften) vorhanden seien, könne die Vernichtung lediglich einer Urkunde jedoch nur dann genügen, wenn keine Zweifel über den entsprechenden Aufhebungswillen des Erblassers bestünden.

Dies sei hier der Fall, so das Fazit der Richter. Der Anwalt der Erblasserin, der kein erkennbares persönliches Interesse am Ausgang des Streits gehabt habe, habe glaubhaft ausgesagt, dass die Erblasserin ein Original des Testaments in seiner Anwesenheit zerstört habe. Dabei habe sie zweifelsfrei bekundet, dass sie nicht an der Erbeinsetzung der Haushälterin festhalten wolle. Dazu passe, dass die Erblasserin keinen Kontakt mehr zur Haushälterin gehabt habe und unstreitig versucht habe, die Übertragung des Grundstücks an sie rückgängig zu machen. Angesichts ihres Alters von über 90 Jahren könne angenommen werden, dass sie das zweite Original schlicht vergessen gehabt habe. Trotz der Existenz dieses weiteren Originals sei daher vom Widerruf des die Haushälterin begünstigenden Testaments auszugehen. So das Oberlandesgericht (Az.: 2 Wx 84/20).

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