Darmspiegelung: Arzt soll 220 000 Euro Schmerzensgeld zahlen

Hamm · Eine Darmspiegelung ist zwar ein Routineeingriff. Aber auch ein solcher Eingriff hat Risiken. Weil ein Patient darüber nicht ausreichend informiert und bei dem Eingriff verletzt worden ist, soll er nun Schmerzensgeld bekommen.

Das Oberlandesgericht Hamm hat einen Facharzt für Chirurgie zur Zahlung von 220.000 Euro Schmerzensgeld an einen früheren Patienten verurteilt. Nach Feststellung der Richter hatte der Mediziner den Mann im Vorfeld einer Darmspiegelung (Koloskopie) unzureichend über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt. Bei der Darmspiegelung habe sich ein solches Risiko dann aber verwirklicht. Der Patient habe eine Darmperforation mit schwerwiegenden Komplikationen erlitten.

Der Fall im Detail: Wegen Blutungen im Stuhlgang ging der seinerzeit 48 Jahre alte Patient wegen Blutungen zu dem Facharzt für Chirurgie in Bielefeld. Der führte eine Koloskopie mit Polypenabtragung durch. In Folge dieses Eingriffs kam es zu einer Darmperforation, die wenige Tage später notfallmäßig operiert werden musste. Der Patient erlitt zudem eine Bauchfellentzündung, musste sich weiteren Operationen unterziehen und über Monate intensivmedizinisch behandelt werden. Er ist nunmehr Frührentner und zu 100 Prozent behindert. Ihm musste ein künstlicher Darmausgang gelegt werden. Er forderte deshalb Schadensersatz von dem Facharzt, unter anderem mit der Begründung, er sei über das Risiko einer Koloskopie und über Behandlungsalternativen nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden.
Der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat dem Mann Schadensersatz zugesprochen. Darin ist unter anderem ein Schmerzensgeld von 220 000 Euro enthalten. Diese Höhe sei durch den komplikationsträchtigen Krankheitsverlauf mit einer langen Behandlungszeit und bleibenden Beeinträchtigungen, die schließlich zur Frühberentung geführt hätten, gerechtfertigt.

Der beklagte Arzt hafte deshalb, weil davon auszugehen sei, dass er den Kläger ohne ausreichende Aufklärung behandelt habe. Nach der Einschätzung des im Verfahren gehörten medizinischen Sachverständigen sei eine im Rahmen einer Koloskopie auftretende Darmperforation zwar eine seltene Komplikation. Trete sie jedoch ein, hätte sie überwiegend eine Bauchhöhlenentzündung zur Folge, die lebensbedrohlich sein könne und operativ behandelt werden müsse. Deswegen sei über das Risiko einer Perforation aufzuklären.

Die Richter weiter: Dass der Beklagte den Kläger ordnungsgemäß aufgeklärt habe, könne der Senat nicht feststellen. Der Inhalt der vom Kläger unterzeichneten Einverständniserklärung lasse nicht auf eine ausreichende Risikoaufklärung schließen. Nach dem vorgedruckten Teil der Erklärung sei unter anderem auf "die mit dem Eingriff verbundenen unvermeidbaren nachteiligen Folgen, mögliche Risiken und Komplikationsgefahren" hingewiesen worden. Diese allgemein gehaltene Erklärung sei weithin inhaltslos und wirke mit dem Hinweis auf "unvermeidbare nachteilige Folgen" verharmlosend. Ihr sei nicht zu entnehmen, dass die Erklärung vom Patienten gelesen, von ihm verstanden oder mit ihm erörtert worden sei.

Ausgehändigte und vom Patienten unterzeichnete Formulare und Merkblätter ersetzten nicht das erforderliche Aufklärungsgespräch. Zudem ließen sie nicht erkennen, dass ein Patient über ein in der Erklärung nicht ausdrücklich erwähntes Risiko informiert worden sei. Eine hinreichende Aufklärung des Klägers sei auch mit der Aussage der Arzthelferin des Beklagten nicht bewiesen worden. Von einer mutmaßlichen Einwilligung des Klägers sei ebenfalls nicht auszugehen. Der Kläger habe plausible Gründe dafür vorgetragen, dass er sich die Sache im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung noch einmal überlegt, mit einem anderen Arzt oder Verwandten besprochen oder auch eine andere Klinik aufgesucht hätte (Az.:26 U 85/12). Das Urteil aus Hamm ist noch nicht rechtkräftig. Der Fall ist nun beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe anhängig (BGH VI ZR 443/13). red/wi

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