Arzthelferin (63) klagt gegen Kündigung wegen Alters-Diskriminierung

Erfurt · Eine Arztpraxis kündigte einer Mitarbeiterin im Labor, angeblich weil sie 63 Jahre alt und pensionsberechtigt war. Die jüngeren Kolleginnen der Frau behielten ihren Job. Ein Fall von Diskriminierung?

 SymbolbildLocation:Frankfurt:Oder

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Foto: Patrick Pleul/dpa

Niemand darf in Deutschland wegen Rasse, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, sexueller Identität oder Alter benachteiligt werden. Das regeln das Grundgesetz und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Letzteres gilt insbesondere auch mit Blick auf private Arbeitsverträge.

Zu den Folgen stellte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt jetzt im Fall einer Arzthelferin klar: Wenn eine Arbeitnehmerin nach einer Kündigung Indizien vortragen kann, die für eine Diskriminierung auf Grund ihres Alters sprechen, dann ist eine solche Benachteiligung nach Paragraf 22 des AGG zu vermuten. Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, diese Vermutung zu widerlegen, ist die Kündigung der Mitarbeiterin auch im Kleinbetrieb unwirksam (Az.: 6 AZR 457/14).

Damit zu den Einzelheiten des Falles: Die Klägerin wurde 1950 geboren. Sie arbeitete seit 1991 in einer Gemeinschaftspraxis als Arzthelferin, zuletzt überwiegend im Labor. In der Praxis waren im Jahr 2013 noch vier jüngere Arbeitnehmerinnen tätig. Mit Schreiben vom 24. Mai 2013 wurde der 63-Jährigen zum 31. Dezember 2013 gekündigt. Begründung: Veränderungen im Laborbereich erforderten eine Umstrukturierung der Praxis. Außerdem sei die Betroffene "inzwischen pensionsberechtigt". Den anderen Beschäftigten der Arztpraxis wurde nicht gekündigt.

Die Betroffene klagte gegen die Kündigung und verlangt eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Das Kündigungsschreiben lasse nämlich eine Benachteiligung wegen ihres Alters vermuten. Dagegen wehrte sich die Arztpraxis. Nach deren Darstellung sollte die Kündigung lediglich freundlich und verbindlich formuliert werden. Die Kündigung sei wegen eines zu erwartenden Ausfalls von 70 bis 80 Prozent der abrechenbaren Laborleistungen erfolgt. Die Klägerin sei mit den übrigen Arzthelferinnen nicht vergleichbar, weil sie schlechter qualifiziert sei. Deshalb sei ihr gekündigt worden.Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage der Frau ab. Vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte die Klägerin jedoch Erfolg. Urteil der höchsten deutschen Arbeitsrichter: Die Kündigung verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des Paragrafen 7 Absatz 1 AGG und ist deshalb unwirksam. Die beklagte Arztpraxis habe keinen ausreichenden Beweis dafür angeboten, dass die wegen der Erwähnung der "Pensionsberechtigung" zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliegt. Ob und in welcher Höhe der Klägerin der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zusteht, konnten die Bundesrichter aber noch nicht feststellen. Die Sache wurde insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Sächsische Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

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