Urteil zum Mietrecht Zoff im Treppenhaus kann fristlose Kündigung des Mietvertrags rechtfertigen

München · Wechselseitig Rücksicht nehmen auf die anderen ist in einem Mehrfamilienhaus wichtig. Aber es gibt Grenzen. Wenn ein Nachbar den anderen Angst macht, dann ist das nicht mehr akzeptabel.

 Besorgter Blick durch eine Wohnungstür. Symbolfoto.

Besorgter Blick durch eine Wohnungstür. Symbolfoto.

Foto: dpa-tmn/Kai Remmers

Eine massive Störung des Hausfriedens durch einen Mieter in einem Mehrparteienhaus berechtigt den Vermieter dazu, den Mietervertrag des Störers zu kündigen. Das hat das Amtsgericht München klargestellt. Es hat deshalb der Räumungsklage einer Vermieterin stattgegeben und einen 70 Jahre alten Mieter dazu verurteilt, die von ihm seit Dezember 1992 gemietete Eineinhalb-Zimmer-Wohnung in München-Obergiesing zu räumen und an die klagende Wohnungsbaugenossenschaft herauszugeben.

Die Vermieterin hatte die Kündigung unter anderem damit begründet, dass von dem beklagten Mieter regelmäßig erhebliche Lärmbelästigungen ausgingen. Der Mann habe Ende Januar und Anfang Februar 2019 alkoholisiert im Treppenhaus des Wohnhauses herumgeschrien. Mitbewohner habe er als „Huren“ und „Polacken“ bezeichnet und gegen Wohnungstüren geschlagen.
Hierfür wurde der Mann am 12. Februar 2019 schriftlich abgemahnt. Am 16. Februar 2019 gegen 10:50 Uhr sei es trotzdem zu erneuten Lärmbelästigungen im Treppenhaus gekommen. Der Beklagte habe erneut betrunken geschrien und Mitmieter in teils unverständlicher, aber bedrohlicher Art und Weise beschimpft. Da sich der Beklagte nicht beruhigen habe lassen, sei zweimal die Polizei gerufen worden, welche den Beklagten schließlich mitgenommen habe. Die Vermieterin kündigte daraufhin den Mietvertrag am 26. Februar fristlos. Sie ist der Ansicht, aufgrund der massiven Störung des Hausfriedens dazu berechtigt zu sein. Der Mieter wies dies zurück. Er erklärte zu Protokoll der Rechtsantragsstelle: „Die von der Klagepartei vorgebrachten Vorwürfe, es wäre durch mich zu erheblichen Ruhestörungen mit Beleidigungen gegenüber Nachbarn gekommen, stimmen nicht. Ich habe mich immer ruhig verhalten. Die Nachbarn bilden sich das nur ein. Ich habe immer rechtzeitig meine Miete bezahlt.“

Vor Gericht ergab sich ein anderes Bild. Dort berichtete eine bereits ältere Nachbarin als Zeugin davon, dass der Beklagte im Treppenhaus herumgegrölt und andere Mieter als „Huren“ und „Nazis“ beschimpft habe. Er habe auch Dinge geschrien wie „die Polacken müssen raus“, „man muss alle erschießen“ und „es muss Ruhe herrschen“. Zwei Nachbarinnen hätten versucht ihn zu besänftigen. Der Beklagte hätte sich aber erst nach Eintreffen der Polizei beruhigt. Aus Angst vor dem Beklagten bleibe man lieber in der Wohnung. Eine jüngere Nachbarin schilderte vor Gericht ähnliche Vorfälle. Sie gab an, selbst keine Angst vor dem Beklagten zu haben, die Sorgen der älteren Nachbarinnen aber verstehen zu können. Der zuständige Richter am Amtsgericht München empfahl daraufhin dem zum Prozess deutlich alkoholisiert erschienen Beklagten den Abschluss eines Räumungsvergleichs. Darin könne eine ausreichenden Räumungsfrist vereinbart werden, um etwa über das Wohnungsamt eine Ersatzwohnung zu finden. Das lehnte der Beklagte aber ab.

Daraufhin musste der Fall entscheiden werden. Im Urteil gab der Richter der Vermieterin Recht. Begründung: Der Beklagte habe den Hausfrieden nachhaltig gestört, so dass der Klägerin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden könne. Die Störungen seinen kein Einzelfall. Beide Zeuginnen hätten berichtet, dass insbesondere Lärmbelästigungen im Treppenhaus von dem dann meist betrunkenen Beklagten schon seit Jahren ausgehen und deren Intensität in letzter Zeit zugenommen habe. Besonders nachhaltig und intensiv ist die Störung des Hausfriedens nach Feststellung des Richters deshalb, weil der Beklagte Mitbewohner in erheblichem Maße sexistisch und rassistisch beleidigte und auch das Schlagen an die Türen von Mitbewohnern bereits mehrfach berichtet wurde. Dieses Verhalten führe bereits soweit, dass ältere Mitbewohnerinnen aus Angst ihre Wohnung nicht verlassen, wenn sich der Beklagte im Treppenhaus aufhält.

Zu Gunsten des beklagten Mieters könne vor diesem Hintergrund allenfalls die lange Dauer des Mietverhältnisses berücksichtigt werden - eventuell auch noch der kausale Zusammenhang seines Verhaltens mit einem schädlichen Alkoholgebrauch. Angesichts des Mangels an einem diesbezüglichem Problembewusstsein und an einer Änderungsmotivation könne das Interesse des Beklagten an einer Fortführung des Mietverhältnisses das sofortige Beendigungsinteresse der Klägerin aber bei weitem nicht überwiegen. Das Mietverhältnis sei daher durch die fristlose Kündigung vom 26. Februar 2019 beendet worden. Der Beklagte habe die Wohnung zu räumen (Az.: 417 C 4799/19).

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