Urteil: Eltern müssen nicht für Zusatzdienste zu kostenlosen Online-Spielen zahlen

Saarbrücken · Eltern haften nicht für ihre Kinder, wenn die mit vermeintlich kostenlosen Internet-Spielen die Telefonrechnung belasten. Das hat das Landgericht Saarbrücken in zwei bundesweit wohl einmaligen Grundsatzurteilen entschieden.

Saarbrücken. Familien sind künftig besser vor Kostenfallen bei Rollenspielen im Internet geschützt. Das Landgericht Saarbrücken hat in zwei Grundsatzurteilen die Klagen von Telefondienstleistern gegen zwei Elternpaare abgewiesen. Sie sollten mehrere tausend Euro zusätzlich an Telefonkosten bezahlen, nachdem ihre minderjährigen Kinder in zunächst kostenfreien Internetspielen ohne Zustimmung der Eltern kostenpflichtige Zusatzleistungen (Bonuspunkte) gekauft hatten. Das Ganze wurde als sogenannte Premiumdienste über Telefonnummern mit den Vorwahlen 0190 und 0900 abgewickelt und abgerechnet. Die Richter stuften dies als sittenwidrig und unwirksam ein: "Wer Minderjährige animiert, unbefugt in den Geldbeutel der Eltern zu greifen, handelt sittenwidrig. Auch dann, wenn die Eltern so fahrlässig waren, den Geldbeutel nicht wegzuschließen."

Konkret ging es um zwei gängige Rollenspiele im Internet. In dem einen versuchte sich ein 13-Jähriger als Gladiator im alten Rom (Az.: 10 S 60/10). Um dort weiterzukommen, kaufte der Schüler virtuelle Rubine, die seine Erfolgsaussichten verbesserten. Zum Einkaufen nutzte er das Telefon der Eltern, auf das pro Anruf zwischen 9,95 und 19,95 Euro verbucht wurden. Am Ende waren 2818,47 Euro fällig. Im zweiten Fall soll der 14-jährige Sohn der Beklagten in einem Fantasy-Spiel aktiv gewesen sein. Dort habe er zum Fortkommen virtuelle "Drachenmünzen" via Telefon für echte 1983,80 Euro erworben (Az.: 10 S 99/10).

Die betroffenen Eltern weigerten sich jeweils zu zahlen. Daraufhin zogen die jeweiligen Internet- beziehungsweise Telefondienstleister vor Gericht. Sie verwiesen auf das Telekommunikationsgesetz. Danach haftet der Inhaber eines Telefonanschlusses für das Verhalten derjenigen, denen er Zugang zu dem Anschluss gewährt hat. Eltern haften demnach beim Telefon für das Tun ihrer Kinder. So sah es neben vielen anderen Gerichten in Deutschland bislang auch das Landgericht Saarbrücken. Es hatte in einem früheren Fall Anfang 2009 einen Vater zur Zahlung von 14.782 Euro für virtuelle Drachenmünzen verurteilt.

Auf dieses und andere Urteile stützten sich die Kläger auch jetzt. Aber die 10. Zivilkammer unter Vorsitz des Vizepräsidenten Stefan Geib sah das Ganze in einem grundsätzlich anderen Licht: Durch Art und Aufmachung der besagten Spiele würden speziell Kinder und Jugendliche zum Mitmachen animiert. Auf Grund ihrer Unerfahrenheit, ihrer fehlenden Urteilskraft und ihres für sie kaum zu beherrschenden Spieltriebes würden sie dazu gebracht, in dem zunächst kostenlosen Spiel Zusatzleistungen zu erwerben. Und bezahlen sollen die Eltern.

Aus Sicht der Richter ist dies sittenwidrig und verstößt gegen den Grundsatz von Treue und Glauben im Rechtsverkehr. Durch die Art und Weise der Abrechnung werde versucht, die gesetzlichen Mechanismen zum Schutz von Minderjährigen zu umgehen. Diese seien im geschäftlichen Bereich besonders geschützt. Ihre Rechtsgeschäfte bedürften ab einer bestimmten Größenordnung der Genehmigung durch die Eltern. Gebe es diese nicht, falle das Geschäft weg. Das Risiko trage der Geschäftspartner, egal ob er wisse, das sein Gegenüber minderjährig ist oder nicht. Dies gelte auch bei Online-Spielen.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache und auf Wunsch der Telefondienstleister hatten die Richter eine Revision zugelassen. Da die Dienstleister aber keine Rechtsmittel eingelegt haben, sind die Urteile rechtskräftig. Zuvor hatten die Kläger in der mündlichen Verhandlung argumentiert, es gehe bei dem System um eine Branche mit 800 Arbeitsplätzen in Deutschland und 2500 Jobs weltweit. Offenbar ein Millionengeschäft. Ein Geschäft, das nun ins Wanken geraten könnte.

Kosten sind einfach zu vermeiden

Saarbrücken. Der Weg zum spannenden Leben in einer Welt voller Gefahren, Reichtum und Ruhm ist kurz. Man braucht zur Anmeldung für ein "kostenloses online game" in erster Linie eine gültige E-Mail-Adresse. Um Hindernisse im Spiel zu überwinden, braucht man entweder Zeit, Geduld und Geschick - oder ausreichend virtuelles Spielgeld wie Edelsteine. Die kann man auf dem virtuellen Markt im Spiel kaufen. Bezahlen muss man aber mit richtigem Geld. Entweder per Kreditkarte oder kinderleicht per Telefon. Spieler rufen die auf dem Bildschirm angezeigte Nummer an und tippen den dort mitgeteilten kurzen Code ein - schon sind die Edelsteine im Spiel. Die Kosten kommen auf die Telefonrechnung. Wer sich schützen will, kann die kostenpflichtigen 0190xxx- oder 0900xxx-Rufnummern sperren lassen. Wie das geht, erfährt man bei seiner Telefongesellschaft. Die Kontaktdaten stehen auf der Telefonrechnung. wi

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