Polizei und Demonstrationsfreiheit Richter schützen Demo: Polizei muss fest installierte Videokameras an Platz zudecken

Köln · Die Demokratie lebt von den Grundrechten auf freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit und Demonstrationsfreiheit. Fest installierte Videokameras auf öffentlichen Plätzen können diese Freiheiten verletzen.

 Videoüberwachung mit Hinweisschild vor dem Kölner Dom

Videoüberwachung mit Hinweisschild vor dem Kölner Dom

Foto: dpa/Oliver Berg

Wie viel Videoüberwachung im öffentlichen Raum ist erlaubt? Mit dieser schwierigen Frage im Spannungsverhältnis zwischen öffentlicher Sicherheit und Schutz der Bürgerrechte musste sich vergangene Woche das Verwaltungsgericht Köln befassen. Es wertete bereits die bloße Sichtbarkeit von (abgeschalteten) fest installierten Videokameras auf einem öffentlichen Platz als Einschränkung einer dort geplanten Demonstration. Die Kölner Polizei musste deshalb am vergangenen Wochenende die Überwachungskameras auf dem Wiener Platz in Köln-Mülheim während der Dauer einer Versammlung nach außen erkennbar abdecken. Dies hatte das Verwaltungsgericht Köln mit Beschluss vom 12. März 2020 entschieden (Az.: 20 L 453/20).

Die damit erfolgreichen Antragsteller im konkreten Fall waren Anmelder und Teilnehmer der für Samstag (14. März 2020) geplanten Versammlung in Köln unter dem Thema „Demonstration gegen Repression“, zu der etwa 300 Teilnehmer erwartet wurden. Die Versammlung sollte als Aufzug über verschiedene Plätze verlaufen. Unter anderem am Wiener Platz war eine Zwischenkundgebung geplant. Seit dem 2. Dezember 2019 wird der Wiener Platz durch die Kölner Polizei mittels fest installierter Kameras videoüberwacht. Die Betroffenen sahen darin eine Verletzung der im Grundgesetz geschützten Demonstrationsfreiheit. Sie beantragten deshalb den Abbau oder die Verhüllung der Kameras für die Dauer der Demonstration.

Das lehnte die Polizei ab. Begründung: Die Kameras würden während der Versammlung abgeschaltet, sodass Versammlungsteilnehmer nicht beeinträchtigt würden. In der Vergangenheit sei nicht zu beobachten gewesen, dass sich Teilnehmer durch die bloße Präsenz von ausgeschalteten Kameras von Versammlungen hätten abhalten lassen. Die Kameras seien auch nicht zur Beobachtung von Versammlungen installiert worden, sondern zur Verhütung von Straftaten, und stünden daher in keinem Zusammenhang zu Versammlungen. Im Übrigen stellten sowohl der Abbau als auch die Verhüllung eine kaum zu bewältigende logistische Herausforderung dar, weil hierfür ein Hubwagen angemietet werden müsse. Es sei davon auszugehen, dass die Kameras im Falle einer Verhüllung erst einige Tage später wieder in Betrieb genommen werden könnten. So die Polizei.

Daraufhin begehrten die Antragsteller per Eilantrag die einstweilige Verpflichtung der Polizei, die Kameras für die Dauer der Versammlung abzubauen, hilfsweise die Kameras nach außen sichtbar zu verhüllen. Begründung: Die Zusicherung der Polizei, die Kameras während der Dauer der Versammlung auszuschalten, reiche nicht aus. Durch die Präsenz der Kameras würden Versammlungsteilnehmer insbesondere in ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt.

Das Gericht folgte dieser Argumentation und verpflichtete die Polizei per Beschluss dazu, die Kameras für die Dauer der Versammlung zu verhüllen. Begründung: Bereits die Präsenz der Kameras und die Möglichkeit staatlicher Beobachtung entfalteten eine abschreckende und einschüchternde Wirkung auf Versammlungsteilnehmer und griffen in deren Recht aus Artikel 8 Absatz 1 Grundgesetz, sich frei zu versammeln, ein. Die Versammlungsfreiheit schütze nicht nur die Teilnahme an einer Versammlung, sondern auch die Art und Weise der Teilnahme. Für Versammlungsteilnehmer sei von außen nicht erkennbar, ob die Kameras ausgeschaltet seien, deshalb reiche auch eine Zusicherung nicht aus. Der Grund für die Installation der Kameras sei nicht entscheidend, weil es auf deren faktische Wirkung und nicht auf den Willen der Polizei ankomme.

Die Richter weiter: Die Polizei habe keine Anhaltspunkte für eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung dargelegt, die eine Überwachung der Versammlung rechtfertigen könnten. Mit Blick auf die große Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit sei die logistische Herausforderung des Abdeckens der Kameras der Polizei zuzumuten und etwaige Ausfälle der Kameras für folgende Tage seien durch andere, geeignete Maßnahmen aufzufangen. Ein Abbau der Kameras während der Versammlung sei dagegen nicht erforderlich, weil das Abdecken einen ausreichenden Schutz der Versammlungsfreiheit darstelle. So weit das Verwaltungsgericht Köln.

Gegen diesen Beschluss legte die Polizei Beschwerde ein, über die das Oberverwaltungsgericht (OVG) mit Sitz in Münster entscheiden musste. Es bestätigte am 13. März die Linie des Verwaltungsgerichts und ordnete die Verhüllung der Kameras an. Denn: Die Kamerapräsenz stelle einen Eingriff in das Versammlungsgrundrecht dar. Sie sei grundsätzlich geeignet, einschüchternd oder abschreckend auf die Versammlungsteilnehmer zu wirken. Dafür sei unerheblich, dass die Polizei die Kameras für die Dauer der Versammlung abschalten wolle. Denn dies sei für die Versammlungsteilnehmer nicht beziehungsweise nicht hinreichend verlässlich erkennbar. Schließlich sei nicht ersichtlich, dass das Abdecken der Kameras für die Polizei einen unzumutbaren Aufwand mit sich bringe oder deren Aufgabenerfüllung im Übrigen wesentlich beeinträchtige. So weit das OVG Münster in seinem nicht anfechtbaren Beschluss (Az.: 15 B 332/20).

Die Polizei reagierte am gleichen Tag mit folgender Erklärung: Die Polizei habe die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zur Kenntnis genommen und bereits eine Fachfirma damit beauftragt, die Kameras der polizeilichen Videobeobachtung am Wiener Platz für den Zeitraum der angemeldeten Demonstration am Samstag (14. März) abzudecken. Weiter heißt es in der Erklärung zu dem OVG-Beschluss - trotz der sehr grundsätzlichen Argumente der Richter durch zwei Instanzen: „Die Polizei betrachtet den heutigen Beschluss als Einzelfallentscheidung.“

Offenbar soll es also in Köln so weitergehen wie bisher. Zwei Tage später veröffentlichte die Polizei dazu eine weitere Pressemitteilung zum Thema mit der Überschrift „Taschendieb mit Hilfe der Videobeobachtung gestellt“ Darin ging es um einen Taschendieb, der am frühen Samstagmorgen in der Kölner Innenstadt dank Videoüberwachung nach kurzer Flucht gestellt werden konnte. Es ist eine klassische Erfolgsmeldung in Sachen Videoüberwachung. Motto: Unsere Kameras helfen dabei, Straftaten aufzuklären und Kriminelle dingfest zu machen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort