Liebeslohn: Oberste Finanzrichter nehmen Prostitution als Gewerbe unter die Lupe

München · Mit dem „ältesten Gewerbe der Welt“ müssen sich die obersten Finanzrichter befassen. Sie haben bislang die Prostitution als „sittenwidrig“ und damit nicht als „allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ eingestuft.

München. Prostituierte müssen ihre beruflichen Einnahmen versteuern, das ist klar. Unklar ist aber, unter welcher Überschrift sie das tun müssen. Fällt der Liebeslohn unter "gewerbliche Einkünfte" oder doch unter "sonstige Einkünfte"? Zur Klärung dieser Frage - die viel über Juristen und Finanzbeamte, aber nichts über Prostituierte aussagt - hat der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt seinen Großen Senat angerufen. Das oberste Gremium des Gerichts soll klären, ob eine Prostituierte aus ihrer Tätigkeit (Eigenprostitution) gewerbliche oder sonstige Einkünfte erzielt (Az.: III R 30/10).
Der Große Senat des BFH hatte sich mit dieser Frage bereits 1964 befasst und seinerzeit entschieden, dass Prostituierte keine gewerblichen Einkünfte erzielen, weil sie sich nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligten. Begründung: Die "gewerbsmäßige Unzucht" falle aus dem Rahmen dessen, was das Einkommensteuergesetz unter selbstständiger Berufstätigkeit verstanden wissen wolle; sie stelle das Zerrbild eines Gewerbes dar. Prostituierte erzielten sonstige Einkünfte, die nicht der Gewerbesteuer unterliegen.
Der 3. Senat des BFH vertritt nun in seinem Vorlagebeschluss die Auffassung, dass an dieser Sicht der Dinge wegen der geänderten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse nicht mehr festzuhalten sei. Das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten habe deren Tätigkeit bereits vor Jahren legalisiert. Sexuelle Dienstleistungen würden in der Boulevardpresse und im Internet umfangreich beworben, Prostituierte wendeten sich mit ihrem Angebot an andere Personen in deren Eigenschaft als Marktteilnehmer. Da die Klägerin ihre Leistungen bewerbe und in einer eigens dafür angemieteten Wohnung erbringe, habe das Finanzamt zu Recht Gewerbesteuer festgesetzt.
Ob dies so stimmt oder nicht, das dürfen die Richter des 3. Senats aber nicht entscheiden. Will ein Senat von der Entscheidung eines anderen Senats oder - wie hier - des Großen Senats abweichen, muss er die Rechtsfrage dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen. Der Große Senat besteht aus dem Präsidenten des Bundesfinanzhofs und je einem Richter der Senate, in denen der Präsident nicht den Vorsitz führt. Wann das Gremium über die steuerrechtliche Einstufung des ältesten Gewerbes der Welt entscheiden wird, ist offen. red/wi

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