Grenzen der Meinungsfreiheit Klare Ansage der Justiz: Das Verbreiten von Hass gegen Juden ist keine Meinung

Hamm · Jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Das steht so im Grundgesetz. Dort sind auch die Grenzen der Freiheit definiert. Sie endet dort, wo Hass gegen Mitmenschen gesät wird.

 Eine Jura-Studentin hält eine Ausgabe des Grundgesetzes in der Hand. Symbolfoto.

Eine Jura-Studentin hält eine Ausgabe des Grundgesetzes in der Hand. Symbolfoto.

Foto: dpa/Friso Gentsch

In der Bundesrepublik Deutschland des Jahres 2020 ist kein Platz für die Verwendung des hasserfüllten Vokabulars der Nationalsozialisten. Das hat die Justiz in Nordrhein-Westfalen klargestellt. Die Verwendung des Begriffs des "frechen Juden" stachelt demnach zum Hass an. Und zwar deshalb, weil es sich um eine auf die Gefühle des Adressaten abzielende, über die bloße Äußerung von Ablehnung und Verachtung hinausgehende Form des Anreizens zu einer feindseligen Haltung gegenüber Menschen jüdischen Glaubens handelt. Die Verwendung eines solchen Begriffes ist deshalb nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt, sondern eine strafbare Volksverhetzung. Dies hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in einem heute veröffentlichten Beschluss vom 28. Januar entschieden.

Im konkreten Fall hatte der jetzt 32 Jahre alte Angeklagte aus Dortmund auf einer von ihm zu verantwortenden Internetseite im Sommer 2016 einen Artikel veröffentlicht, in dem er den Vorsitzenden einer jüdischen Gemeinde unter anderem als "der freche Juden-Funktionär" bezeichnete. Das Amtsgericht Bielefeld hat den Angeklagten deshalb am 22. Februar 2018 wegen Volksverhetzung und Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt (Az.: 39 Ds 1027/17). Der Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Bielefeld mit Urteil vom 10. Oktober 2019 (Az.: 011 Ns 39/18) nicht stattgegeben. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er unter anderem geltend macht, seine Äußerung sei vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.

Das Oberlandesgericht Hamm ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit - so der Senat - gelte nicht absolut. Es finde nach Artikel 5 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) unter anderem eine Schranke in den allgemeinen Gesetzen. Zu diesen Gesetzen gehöre auch Paragraf 130 des Strafgesetzbuches (StGB). Nach dieser Vorschrift wird unter anderem bestraft, wer „gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe .... zum Hass aufstachelt“. Dies habe der 32-Jährige im konkreten Fall getan.

Der Angeklagte spreche von dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde als "der freche Juden-Funktionär". Der Begriff des "frechen Juden" gehöre zum charakteristischen Vokabular der Sprache des Nationalsozialismus. Ohne Zweifel handele es sich bei der Verwendung dieser Begrifflichkeit um eine auf die Gefühle des Adressaten abzielende, über bloße Äußerung von Ablehnung und Verachtung hinausgehende Form des Anreizens zu einer feindseligen Haltung gegenüber Menschen jüdischen Glaubens, so dass diese Äußerung ein "Aufstacheln zum Hass" im Sinne von Paragraf 130 StGB darstelle. Dass der einschlägig wegen Volksverhetzung vorbestrafte Angeklagte die Begrifflichkeit in einem Zusammenhang mit nationalsozialistischer Rassenideologie genutzt habe, lasse nur darauf schließen, dass es ihm gerade auf den herabwürdigenden und an den Nationalsozialismus anknüpfenden Sprachgebrauch angekommen sei. Er habe also bewusst eine vorsätzliche Straftat verübt. So weit das Oberlandesgericht Hamm (Az.: III-3 RVs 1/20).

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